Rechtschreibung so viele Schwierigkeiten macht, weil sie offenbar im übertragenen Sinn das bloß Dekorative nicht versteht.
Käthe nimmt zwar einen Sonnenschirm mit auf Reisen und bringt auch einen Sonnenschirm wieder mit nach Berlin, aber dazwischen muß auch sie im Licht der Sonne Selbsterkenntnisse machen, denn schon auf der Hinfahrt nach Schlangenbad, so berichtet sie auf der ersten Postkarte an Botho, „hat mir“ die kleine Sarah Salinger „bei dem ständigen Umher- klettem im Kupee bereits meinen Sonnenschirm zerbrochen“. (S. 125) Überhaupt enthalten Käthes Postkarten und Briefe, denen der Autor so viel Platz einräumt, viel mehr als bloße Plaudereien und Nebensächlichkeiten. Sie sind ein Musterbeispiel Fontanescher Doppelbödigkeit und bilden den Schlüssel zu Käthes Wandlung. Die Salingers nämlich, Mutter und Tochter, sind in Wirklichkeit Projektionen von Käthes „Sündenfall“, und angemessen ist daher ihr scheinbar argloser Kommentar „[...] die Begegnung mit dieser liebenswürdigen Frau war vielleicht kein Zufall in meinem Leben.“ (S. 126) Die zehnjährige Tochter, die den Sonnenschirm zerbricht, ißt auf der Fahrt ständig Süßigkeiten, erst „kleine mit Kirschen und Pistazien belegte Tortenstücke“ und dann „Drops“, bis ihr schlecht wird. Käthe findet, es müsse „ein geheimnisvoll naschiger Zug in Sarahs Natur liegen, ich möchte beinah sagen, etwas wie Erbsünde (glaubst Du daran? ich glaube daran, mein lieber Botho), [...]“ So greifen die Motive ineinander: Sarah wird in Käthes eigener Vorstellung mit der Vertreibung aus dem Paradies verbunden, die den Ausgangspunkt dieser Erörterungen bildete. Aber während Käthe zu Anfang die Tochter unausstehlich und die Mutter reizend findet, ändert sich ihre Einstellung im Laufe des dreiwöchigen Schlangenbader Aufenthalts:
„Ich finde jetzt die Kleine reizender als die Mutter. Diese gefällt sich in einem Toilettenluxus, den ich kaum passend finden kann, um so weniger, als eigentlich keine Herren hier sind. Auch seh’ ich jetzt, daß sie Farbe auflegt, und namentlich die Augenbrauen malt und vielleicht auch die Lippen, denn sie sind kirschrot. Das Kind aber ist sehr natürlich.“ (S. 127)
Diese gewandelte Einstellung entspricht offenbar Käthes eigener Entwicklung. Was in der kleinen Sarah zunächst ihrer eigenen Arglosigkeit im Umgang mit der Sünde entspricht, ist zum Bewußtsein der Sünde geworden, die sich nun in Frau Salinger spiegelt, oder anders gesagt, Käthes harmloses Flirten ist zur Angst vor der ehelichen Untreue geworden, durch die sie gerade reif zur Ehe wird. Wenn sie sich zunächst unbewußt in dem Kinde sieht, transponiert sie später ihre Furcht vor der sexuellen Übertretung in die Aufmachung der Mutter.
Was auf diese Weise abstrakt formuliert ein Destillat bildet, ist im Roman selbst wieder nur aus dem Detail, aus den Motivketten zu erschließen.
Es darf nicht übersehen werden, daß Käthe selbst bei ihrer Hochzeitsreise in Dresden „die Konditorei am Altmarkt und der Scheffelgassen-Ecke mit den wundervollen Pastetchen und dem Likör“ (S. 100) am hübschesten findet und daß Botho während ihrer Abwesenheit zu der Einsicht kommt, seine ersten drei Ehejahre waren nicht viel: „Ein Bonbon, nicht viel mehr.