Und wer kann von Süßigkeiten leben!“ (S. 146) Das Genäschige liegt also auch in Käthes Wesen, und mit diesem Motiv wiederum hängt bei ihrer Rückkehr auch der Abschied von Frau Salinger auf dem Bahnhof zusammen, die sagt: „In Preußen hoaben's die Schul’ und in Wian hoaben wir die Küch‘. Und i weiß halt nit, was i vorzieh 1 .“ Käthe erwidert darauf kryptisch: „Ich weiß es [...] und ich glaube Botho auch.“ (S. 151) Daß Botho nun das solide Essen zu schätzen weiß, nachdem er endgültig die Lene-Episode hinter sich gelassen hat, ist nur allzu klar: Als er ihre Briefe verbrannt hat, verlangt er von der Köchin etwas Anständiges zu essen. Daß Käthe vor ihrer Reise nach Schlangenbad einen Hang zum Verbotenen hat, erzählt sie selbst Botho, als sie mit ihm durchs Zimmer tanzt, eine Szene übrigens, die deutlich eine Parallele bildet zu dem Tanz im Nimptschen Haus, aber dort fordert Botho Lene auf, hier wird er Von Käthe aufgefordert. Käthe berichtet von ihrem ersten Ball:
„Weißt du, Botho, so wundervoll hab’ ich noch nie getanzt, auch nicht auf meinem ersten Ball, den ich noch bei der Zülow mitmachte, ja, daß ich’s nur gestehe, noch eh ich eingesegnet war. Onkel Osten nahm mich auf seine Verantwortung mit, und die Mama weiß es bis diesen Tag nicht. Aber selbst da war es nicht so schön wie heut’. Und doch ist verbotene Frucht die schönste. Nicht wahr?“ (S. 107)
Überhaupt lebt Käthe gern in der Erinnerung an ihre Jungmädchenzeit, und auf Schlangenbad freut sie sich nur, weil sie dort ihre Jugendfreundinnen Anna Grävenitz und Elly Winterfeld treffen wird. Sie blickt zurück in die unschuldige Kinderzeit. „Der Sinn für Familie, geschweige die Sehnsucht danach, war ihr noch nicht aufgegangen [...]“ (S. 106) Ihr Flirten ist daher unschuldig, und die Männer, an die sie sich dabei wendet, sind nahezu beliebig. Mal ist es Serge, „der als einziger Gast geladen war“ (S. 101), mal ist Balafre „ihr besonderer Liebling“ (S. 115), und auf Soldaten fliegt sie geradezu. „Gardedragoner“ und „Gardehusaren“ (S. 117), „Brandenburger Kürassiere“ und „Füsiliere“ (S. 125) — sie redet gern davon. Daß hier Gefahren ihrer leicht verführbaren Natur lauern, könnte schon der Hinweis enthalten, daß ihre Hochzeit „auf dem Sellenthinischen Gute Rothenmoor“ (S. 98) stattfindet, denn Rot ist die Farbe der Liebe 1 ’, und das Moor erinnert an Gideon Frankes schon zitierte Furcht vor „Morast“ und „Sumpf“. In Dresden gefallen ihr neben den Süßigkeiten ein Stück mit dem Titel Monsieur Herkules und zwei Gemälde: Bacchus auf dem Ziegenbock und Sich kratzende Hunde. Auch dies Zeichen, die ihrer Person Profil geben, als sie im Roman noch keine zentrale Rolle spielt.
Was aber geschieht mit Käthe in Schlangenbad und erlaubt den Schluß, daß sie reif für die Ehe nach Berlin zurückkommt? Die Versuchung tritt in Gestalt von ... nein, nicht Monsieur Herkules, sondern von Mr. Armstrong mit dem Sonnenschirm an sie heran und droht ihre Flirterei offenbar zum erstenmal in ihrem Leben in einen wirklichen Ehebruch zu verwandeln. Dabei begreift sie die Sünde und kehrt zu ihrem Mann mit einer panischen Angst vor dem Bösen und einem tiefen Bedürfnis nach Reinheit zurück. Verfolgen wir die Spuren: Käthe fährt — eins der wenigen exakten Daten in Irrungen, Wirrungen — „den 24. Juni, Johannistag“ (S. 115) von
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