Heft 
(1982) 33
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reizenden Berliner Dame ganz entzückten Schlangenbader Hauswirtin (S. 151), bildet dazu entsprechend dieser Parallelität das Gegenbild, steht aber auch in Beziehung zu dem Sträußchen auf dem Paket mit Lenes Briefen, die Botho samt den Blumen verbrennt: Lenes kleiner Strauß geht, und Käthes großer Strauß kommt. Kaum ist Käthe abgefahren, da ent­fernt sie sich nicht nur räumlich von Berlin, von der preußischen Haupt­stadt, von ihrem Mann. Das ist der Sinn der Orte, von denen aus sie die Postkarten schreibt. Auf der ersten Station ist sie noch auf gut preußischem Gebiet: Brandenburg, wo es demgemäß auf dem Bahnhof von Militär wimmelt. Dann aber schreibt sie aus Hannover, dem ehemaligen Zentrum des welflschen Königreiches, das die Preußen 1867 nach dem Sieg über Österreich, auf dessen Seite die Hannoveraner mitgekämpft hatten, annek­tierten und wo der Widerstand gegen Preußen noch erheblich war. Käthe selbst weist auf diesen ,,welfische[n] Antagonismus in ihrer Karte hin und findet ihnschmerzlich. Es muß den Leser deshalb aufs äußerste verblüffen, daß sie nach ihrer Rückkehr Botho Dinge von Mr. Armstrong erzählt, die ihn dazu veranlassen, diesenverkappter Welfe zu nennen, woraufhin Käthe, anstatt wie vorher gegen die Welfen Stellung zu nehmen, erwidert: Gewiß. Und ich stand immer auf seiner Seite, wenn er sich in solchen Sätzen erging. Käthe also ist zur Welfin geworden und steht damit gegen Botho an der Seite von Mr. Armstrong! Auch der dritte Reiseort Köln weckt eher antipreußische Assoziationen, denn das Rheinland war 1815 nach der Auflösung des pronapoleonischen Rheinbundes Preußen einverleibt worden und hielt das ganze 19. Jahrhundert hindurch als vorwiegend katholisches Gebiet im protestantischen Preußen antipreußische Gefühle wach. Käthe also entfernt sich auch emotional von Preußen, und doch

wohin immer sie fährt: sie bleibt auf preußischem Gebiet und kehrt als bessere Ehefrau zurück. In Köln übrigens wird Frau Salinger auch in den sozialen Kontext eingeordnet, denn sie wirddurch Oppenheims Equipage (S. 126) vom Bahnhof abgeholt. Soziale Wandlungen deuten sich an: Das jüdische Kapital und der alte preußische Adel im selben Zugabteil, am selben Kurort, wo sich ohnehin eine etwas gemischte Gesellschaft zusam- menflndet. Was sie fast aufdringlich auszeichnet, ist ihre Internationalität: der Schotte Mr. Armstrong, die Wienerin Frau Salinger, einphänomenal reichefr] Amerikaner, einabsolut kakerlakige[r] Schwede, einephaszi- nierend schöne Spanierin (S. 157) und die Russin,die natürlich gar keine Russin war (S. 160) sie alle sind in Schlangenbad friedlich vereint, und in ihrer Gesellschaft wird Käthe symbolisch der weiten Welt ausgesetzt, bevor sie in der Heimat ihren Platz sinnvoll einnehmen kann ein Gedanke, der in Fontanes letztem Roman Der Stechlin immer wieder begegnet. Wieder zeigt sich aber hier darüber hinaus, wie parallel Käthes und Bothos Erfahrungen verlaufen, denn dieser begegnet einer ganz ähn­lich internationalen Gesellschaft auf dem Weg zum Friedhof.

Mr. Armstrong so erfahren Botho und der Leser aus Käthes Erzählungen

stammt aus einem schottischen Clan, aus dem sehr viele Mitglieder wegen Pferdediebstahl von den Engländern, unseren damaligen Feinden, gehenkt worden sind. Dadie schottische Kriegsführung [...] dreihundert Jahre lang aus Viehraub und Pferdediebstahl bestanden habe, kann er

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