„nicht finden, daß ein großer Unterschied sei zwischen Länderraub und Viehraub“. Wenn er dies aber — so wird ausdrücklich hinzugefügt — am „Jahrestag von Königgrätz“ (S. 156) bemerkt, dann rückt das den entscheidenden Sieg der Preußen über die Österreicher in ein höchst eigenartiges Licht. Das ist Fontanes subtile und subversive Technik des politischen Kommentars, der nur aus dem Kontext zu erschließen ist. ln allen Fontanesdien Romanen erschließt sich so immer im Privaten das Gesellschaftliche und im Gesellschaftlichen das Private.
Aber bevor die Textstelle sich ganz erschließt, muß Käthe mit ihrem Bericht über Mr. Armstrong noch weiter das Wort haben:
Er sagte, man müsse nichts feierlich nehmen, es verlohne sich nicht, und nur das Angeln sei eine ernste Beschäftigung. Er angle mitunter vierzehn Tage lang im Loch Neß oder im Loch Lochy, denke dir, solche komischen Namen gibt es in Schottland, und schliefe dann im Boot und mit Sonnenaufgang stünd’ er wieder da, und wenn dann die vierzehn Tage um wären, dann mausre er sich, dann ginge die ganze schülbrige Haut ab, und dann hab’ er eine Haut wie ein Baby. Und er täte das alles aus Eitelkeit, denn ein glatter egaler Teint sei doch eigentlich das Beste, was man haben könne. Und dabei sah er mich so an, daß ich nicht gleich eine Antwort finden konnte. Ach, ihr Männer! Aber das ist doch wahr, ich hatte von Anfang an ein rechtes Attachement für ihn und nahm nicht Anstoß an seiner Redeweise, die sich mitunter in langen Ausführungen, aber doch viel, viel lieber noch in einem beständigen Hin und Her erging. Einer seiner Lieblingssätze war: „Ich kann es nicht leiden, wenn ein einziges Gericht eine Stunde lang auf dem Tische steht; nur nicht immer dasselbe, mir ist es angenehmer, wenn die Gänge rasch wechseln“ Und so sprang er immer vom Hundertsten ins Tausendste. (S. 156‘f.)
So sprang er vom Hundertsten ins Tausendste? Nur scheinbar, denn alle diese Eigenarten des Schotten sind nur im Hinblick auf die Rückschlüsse interessant, die sie auf seine Persönlichkeit erlauben. Er liebt die Abwechslung und geht aus jedem Erlebnis gehäutet wie die Schlange, von der zu Anfang die Rede war, hervor. Gewissensskrupel plagen ihn offenbar nicht, ganz gleich, ob er Pferde stiehlt oder angelt oder ißt. Die Übergriffe auf fremdes Eigentum sprechen für sich selbst; die beiden anderen Leidenschaften verdienen etwas genauer betrachtet zu werden, weil sie als Motive wiederum erst im Zusammenhang ihren Sinn hergeben. Daß das Essen von Süßigkeiten oder deftigeren Mahlzeiten Bothos und — projiziert in Sarah Salinger — Kärthes Einstellung zur Sexualität kennzeichnet, ließ sich schon aus dem Text erschließen. Im Lichte dieser Beziehung dürfte Mr. Armstrongs Bedürfnis nach schnell wechselnden Gängen, die nicht zu lange auf dem Tische sind, keines weiteren Kommentars bedürfen. Käthe hat allen Grund, sich vor dem Schotten in acht zu nehmen; sonst könnte auch sie fremdes Eigentum werden, auf das er übergreift. Ganz ähnlich bezieht sich auch seine Freude am Angeln auf Sexuelles. Was nämlich hat Botho seiner Frau vor der Reise in den Koffer gepackt, und zwar, wie
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