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man sicher nicht behaupten wollen. Zum anderen ist Lenes frühere Wohnung in der Dörrschen Gärtnerei noch im siebzehnten Kapitel „Puppenhaus“ (S. 109) genannt worden. Indem Botho Käthe nun mit diesem Wort anspricht, setzt er sie in Lenes Stelle. Es paßt dazu, daß aus Versehen der Buchstabe „L“ bei dem Wort „Willkommen“ auf der Begrüßungsgirlande einmal fehlt.
Was an Käthe nach ihrer Rüdekehr am meisten auffällt, ist ihre rational völlig unbegründete Furcht. Als sie mit Botho „den Potsdamer Bahnviadukt“ überquert, als gerade „ein Kurierzug“ darüber „hinbrauste“, sagt sie: „Mir ist es immer unangenehm, gerade drunter zu sein. [.. .1 Und sie seufzte, wie wenn sich ihr plötzlich etwas Schreckliches und tief in ihr Leben Eingreifendes vor die Seele gestellt hätte.“ Und es ist genau an diesem Punkt, daß sie Mr. Armstrong zum erstenmal erwähnt, und zwar ohne daß es thematisch irgendwie gerechtfertigt wäre. Aber mehr: Ihre erste Assoziation, die sich mit ihm verbindet, bezieht sich auf die Beerdigungssitten in England, wo angeblich die Toten „fünfzehn Fuß tief begraben“ werden. Käthes Reaktion darauf drückt wieder diese namenlose Angst aus: [...] ich fühlte ordentlich, während er mir’s erzählte, wie sich mir der clay, das ist nämlich das richtige englische Wort, zentnerschwer auf die Brust legte.“ (S. 153)
Noch am ersten Tag möchte sie einen Ausflug machen, denn:
„Die Berliner Luft ist doch etwas stickig und hat nichts von dem Atem Gottes, der draußen weht, und den die Dichter mit Recht so preisen. Und wenn man aus der Natur kommt, so wie ich, so hat man das, was ich die Reinheit und Unschuld nennen möchte, wieder liebgewonnen. Ach, Botho, welcher Schatz ist doch ein unschuldiges Herz. Ich habe mir fest vorgenommen, mir ein reines Herz zu bewahren. Und du muß mir darin helfen. Ja, das mußt du, versprich es mir. Nein, nicht so; du mußt mir dreimal einen Kuß auf die Stirn geben, bräutlich, ich will keine Zärtlichkeit, ich will einen Weihekuß ... Und wenn wir uns mit dem Lunch begnügen, natürlich ein warmes Gericht, so können wir um drei draußen sein.“ (S. 158)
Was für eigenartig gewichtige Sätze aus dem Munde der angeblich immer nur dalbernden Käthe, die — man beachte das wohl — Reinheit und Unschuld wieder liebgewonnen hat und nun um alles in der Welt ein reines Herz bewahren möchte, wobei ihr Botho helfen soll. Der letzte Teil ihrer Worte spricht ganz deutlich aus, worin der wirkliche Sinn dieser Passage besteht: Dies ist der eigentliche Moment der Eheschließung zwischen Käthe von Sellenthin und Botho von Rienäcker. Sie empfängt drei bräutliche Weiheküsse, nicht mehr bloß Zärtlichkeiten. Von nun an ist Käthe in einem wie weit auch immer gehenden Sinne Bothos Frau, und genau in diesem Augenblick und nach einem warmen Lunch — ein weiteres Element de - . Essensmotivs — machen sie einen Ausflug zum Charlottenburger Schloß, nicht, wie ausdrücklich vermerkt wird, nach Halensee, denn das wäre „noch wieder eine halbe Reise, fast wie nach Schlangenbad“, wohin Käthe ja wahrhaftig nicht zurück kann nach ihren Brautküssen. Das adlig- preußische Paar begibt sich statt dessen zu einem Zentrum preußischer
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