Heft 
(1982) 33
Seite
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Tradition, wo nach Käthes Worten die blaue Beleuchtung im Mausoleum, dem Ort, wo Königin Luise begraben liegt,einen immer so sonderbar berühre [...] wie wenn einem ein Stück Himmel in die Seele falle (S. 158), und wo man, wie Botho seiner Frau erklärt, versuchte, König Friedrich Wilhelm II.aus den Händen seiner Geliebten zu befreien und auf den Pfad der Tugend zurückzuführen ein Schicksal, das auch er erfahren hat. Käthe kann sich immerin unserem Preußen solche Dinge gar nicht denken in Schlangenbad vielleicht eher? und erinnert sich voller Mitleid an Königin Luise, das Ideal der familienbewußten, häuslichen Preußin, der man zugleich verschiedene Liebesverhältnisse nachsagte. Käthe könnte kaum eine Gestalt wählen, die zugleich preußischen Patrio­tismus, Weiblichkeit und erotische Seitensprünge so vereinigt und damit ausgezeichnet zu ihr paßt. Und hier in dieser traditionsgeschwängerten Atmosphäre gewinnt Käthe nun auch ihre alte Heiterkeit zurück. Der letzte Satz des Kapitels ist ihr altesDas ist zu komisch. Es ist nur konsequent, daß das dann beginnende letzte Kapitel mit dem Satz anfängt:Bei Son­nenuntergang waren beide wieder daheim, [...]S. 159): Käthes Irrungen, Wirrungen sind vorüber.

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Während in Schlangenbad die außereheliche Sexualität als Gefahr in Käthes Leben einzieht, aber überwunden wird, sagt Botho in paralleler Handlung zur selben Zeit in Berlin seinem Verhältnis mit Lene in zwei Etappen Lebewohl. Im 21. Kapitel legt er auf Frau Nimptschs Grab einen Kranz nieder, und im 22. Kapitel verbrennt er Lenes Briefe. Beide Episoden aber werden nicht lediglich erwähnt, sondern Schritt für Schritt in allen Einzelheiten geschildert, wobei die Details von Handlung und Szene wieder ein Geflecht von Motiven unddisguised symbolism darstellen, die dem Leser die eigentliche Bedeutung der Vorgänge signalisiert.

Wie Frau Nimptsch gestorben ist, während die Sonne hell ins Zimmer schien, so besucht auch Botho ihr Grab bei starker Sonne. Auch er also wie zur gleichen Zeit Käthe wird zur Sonnenwende ins helle Licht gebracht, und ein Hinweis in seinem Kommentar zu dem Friedhofsbesuch verhilft zum besseren Verständnis dieser Variante des Sonnenmotivs. Rollkrug und Mittag und pralle Sonne die reine Reise nach Mittel­afrika (S. 134), sagt Botho, als er aufbricht ein scheinbar absichtsloser geographischer Vergleich, der aber durch eine ähnliche Bemerkung der Titelgestalt in Graf Petöfy als durchaus bedeutungsvoll entschlüsselt wer­den kann. Graf Petöfy sagt,Er habe nichts gegen Urzuständlichkeiten, und das letzte, woran er kranke, sei Prüderie, ja das Paradiesische, das Mittelafrikanische, das Mythologische [...] werde niemals von ihm bean­standet werden. 11 Mittelafrika als paradiesisches Reich der Unschuld also, als Gegenbild zur Prüderie. Was hat Bothos Fahrt zum Friedhof mit diesen Assoziationen zu tun? Sie bilden den ersten Hinweis, daß Botho auf seinem eigenartig verfremdeten Weg zum Jakobifriedhof ins Totenreich gerät und daß die tote Frau Nimptsch in der Paradiesesunschuld des Him­mels ist. Zugleich aber charakterisiert die mittelafrikanische Paradieses-

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