Heft 
(1982) 33
Seite
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kleinere Plakate sowohl Ballonauffahrten wie Tanzvergnügen an­kündigten. Eins lautete:Sizilianische Nacht. Um zwei Uhr Wiener Bonbonwalzer. (S. 137 f.)

Ebenso ungewöhnlich wirkt die nun folgende Verkehrsstockung, bei der lauter Kutschen ineinander gefahren sind und die Ladung Glasscheiben eines Wagens zerbrochen auf der Straße liegt.Glück und Glas, kommen­tiert Botho.Und mit Widerstreben sah er hin und dabei war ihm in allen Fingerspitzen, als schnitten ihn die Scherben. Eine Spiegelung seines Lebens also: das Glück seiner zerbrochenen Liebe, aber vielleicht auch ein Bild des Todes überhaupt, denn bald hat er Durchfahrt zum Rollkrug: Ein eiserner Arm streckte sich aus dem Giebel vor und trug einen aufrechtstehenden vergoldeten Schlüssel. (S. 138) Der goldene Schlüssel zum Himmelreich, in das aber, so scheint es, nicht alle Menschen dieses internationalen Jahrmarktes kommen, denn das folgende Kirchhofsgelände ist aufgeteilt in den alten und den neuen Jakobifriedhof. Auf dem neuen Friedhof befindet sich Frau Nimptschs Grab; sie ist im Himmel. In un­mittelbarer Nähe des alten Friedhofs wird Botho noch einmal Spiegelungen seiner Liebe ausgesetzt:

Vor dem letzten Hause standen umherziehende Spielleute, Horn und Harfe, dem Anscheine nach Mann und Frau. Die Frau sang auch, aber der Wind, der hier ziemlich scharf ging, trieb alles hügelan, und erst als Botho zehn Schritt und mehr an dem armen Musikantenpaare vorüber war, war er in der Lage, Text und Melodie zu hören. Es war dasselbe Lied, das sie damals auf dem Wilmersdorfer Spaziergange so heiter und glücklich gesungen hatten, und er erhob sich und blickte, wie wenn es ihm nachgerufen würde, nach dem Musikanten­paare zurück. Die standen abgekehrt und sahen nichts, ein hübsches Dienstmädchen aber, das an der Giebelseite des Hauses mit Fenster­putzen beschäftigt war und den um- und rückschauhaltenden Blick des jungen Offiziers sich zuschreiben mochte, schwenkte lustig von ihrem Fensterbrett her den Lederlappen und fiel übermütig mit ein: Ich denke dran, ich danke dir mein Leben, doch du Soldat, Soldat denkst du daran? (S. 139)

Dies ist der entscheidende Wendepunkt seiner Einstellung, denn die nun folgende Passage stellt Bothos Befreiung und Überwindung seiner ver­botenen Liebe dar:

Botho, die Stirn in die Hand drückend, warf sich in die Droschke zurück und ein Gefühl, unendlich süß und unendlich schmerzlich, ergriff ihn. Aber freilich das Schmerzliche wog vor und fiel erst ab von ihm, als die Stadt hinter ihm lag und fern am Horizont im blauen Mittagsdämmer die Müggelberge sichtbar wurden.

Dann sagte er zu dem Kutscher:Und wenn Sie die Musikantenleute noch treffen ... hier, das ist für die arme Frau. (S. 139) Von dem blauen Himmel bis zur Geste der Uneigennützigkeit ist der Befreiungsvorgang der Ehe­partner in Beziehung gesetzt, denn über Käthe heißt es beim Ausflug nach Charlottenburg:

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