mythologische Figur noch eine weitere antike Assoziation nach sich zöge, gibt Botho sich, kaum hat er sich von der außerehelichen Unordnung losgesagt und Minerva als Schutzgöttin anerkannt, in großer Geste als mythologisch überhöhtes Familienoberhaupt zu erkennen: Dem Küchenpersonal gegenüber „begann er [...] die Rolle des donnernden Zeus zu spielen“ (S. 144). Er hat sich also entschieden, seine Rolle als Ehemann und Familienvorstand zu akzeptieren, und zwar in der für das 19. Jahrhundert typischen gottvatergleichen Omnipotenz. Er verlangt gebieterisch etwas zu essen, der Sinn dieser Forderung braucht nicht mehr erläutert zu werden. Auf dem Balkon läßt er sich einen Imbiß servieren, und vielleicht ist es nicht einmal Zufall, daß Bothos frühere Junggesellenwohnung in der Bellevuestraße ..zwischen einem Front- und einem Gartenbalkon“ (S. 34) lag, so daß er noch die Wahl zwischen offizieller und inoffizieller Liebe hatte, während die eheliche Wohnung in der Landgrafenstraße nur einen Balkon hat. Auf ihm sieht der Leser Botho nun sogleich in der typischen Pose des häuslichen Bürgers: beim Zeitung Lesen. Und was liest er - ' Das Berliner Fremdenblatt mit gesellschaftlichen Nachrichten und Anzeigen, die Lektüre seiner „kleinen Frau“ (S. 145), und die Kreuzzeitung 21 , das konservative Sprachrohr seines adligen Standes — beide Zeitungen deuten an, daß Botho seiner Frau und seiner sozialen Klasse nähergekommen ist. Die Hochzeitsanzeige, die er in der Kreuzzeitung findet, spricht Bände: ..Unsere heut vollzogene eheliche Verbindung beehren sich anzuzeigen Adalbert von Lichterloh, Regierungsreferendar und Lieutnant der Reserve, Hildegard von Lichterloh, geb. Hollze.“ (S. 145) Hier hat offenbar im Gegensatz zu Botho ein Adliger gewagt, eine Bürgerliche zu heiraten, und die Anzeige selbst erklärt in dem für Fontane typischen Spiel mit Namen auch, warum: Er brannte licherloh, und sie war das Holz, das die Flamme nährte. Botho hat keinen Grund mehr, sich über die Albernheiten seiner Frau zu beklagen; er selbst liest nun die Heiratsanzeigen, und sein Interesse darin wird ihn in der Schlußszene des Romans in Verlegenheit bringen.
Es bleibt allerdings zu sagen, daß es Botho trotz seines Entschlusses nicht ganz gelingt, seine Erinnerungen zu vergessen. Nach wie vor ist er zwei Bindungen verpflichtet. Sein Onkel, Baron von Osten, hatte ihm schon vor der Verlobung über seine Beziehung zu Käthe gesagt, „du bist doch so gut wie gebunden“ (S. 44), und damit die konventionelle, familiär arrangierte Verbindung adliger Familien charakterisiert. Dagegen hatte Lene ahnungslos genau dieselbe Formulierung gesetzt (S. 67), als sie eins ihrer Haare um das Immortellensträußchen band, das Botho bei ihren Briefen aufbewahrte und mit ihnen verbrannt hat. Sein letztes Wort dabei war „Alles Asche. Und doch gebunden.“ (S. 143) Und wirklich ist er bei Käthes letzter Erzählung aus Schlangenbad, dem Erlebnis mit der falschen Russin, geistesabwesend und in Gedanken versunken:
„Aber Botho, du sprichst ja nicht, du hörst ja gar nicht „Doch, doch. Käthe... “ (S. 161)
Sein Entschluß, sich ganz der Ehe mit Käthe zu verschreiben, ist ihm also nicht leicht gefallen, aber da er nun zur Ehe reif ist, kann er auch Bozel Rexin auf einem Spazierritt einen Rat geben, wie dieser sich in der Affäre
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