Heft 
(1982) 33
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Kurt Schober: Theodor Fontane. In Freiheit dienen.

Herford: E. S. Mittler u. Sohn 1980. 357 S.

IRez. Joachim Krueger, Berlin]

Dieses Buch nimmt innerhalb der Fontane-Literatur eine Sonderstellung ein. Wie der Verfasser schreibt, will seine Darstellungkein neuer Beitrag zu Fontanes Bedeutung als Künstler sein. Sie ist nicht von literaturwissen­schaftlichen Erwägungen im engeren Sinne bestimmt, sondern es geht um das Ethos in Fontanes Werk. (S. 7) Worin, nach des Verfassers Meinung, die Quintessenz dieses Ethos besteht, wird im Untertitel des Buches zum Ausdrude gebracht:In Freiheit dienen. Diese Devise ist dem Gespräch zwischen dem Liguorianerpater Feßler und der Gräfin Gundolskirchen in Graf Petöfy (Kap. 3) entnommen, auf das Schober in der Einleitung (S. 9 ff.) eingeht. Es ist dabei von Preußen die Rede, und Feßler ruft aus: Es gibt eine höchste Lebensform, und diese höchste Lebensform heißt: ,in Freiheit zu dienen*. Das sei dasGroße, das die Preußen anderen voraus hätten. Was unterFreiheit zu verstehen ist, wird gleichfalls von Feßler erläutert:Nicht die politische, die nicht viel, und auch nicht die soziale, die noch weniger bedeutet, aber die innerliche. Sie (die Preußen. J. K.) prüfen die Dinge, sind kritisch und leben selbständig aus sich heraus. Und das ist der Heilsweg; ja, lassen Sie mich hinzusetzen: unter richtiger Voraussetzung der einzige Weg, der zum Heile führt. Mit einer solchen innerlichen Freiheit zu dienen, heiße dann, daß man sich demGesetz unterordne, weil man das als unerläßlich erkennt. Wenn diese Argumen­tation inGraf Petöfy auch eine mehr religiöse Färbung hat, so läßt sie sich doch leicht auf andere Sphären des gesellschaftlichen Lebens über­tragen.

Schober untersucht das Werk Fontanes im Hinblick auf diese Devise und befragt es nach seinem Ethos. Dabei stehen die Romane und Erzählungen im Vordergrund, doch sind auch dieWanderungen durch die Mark Bran­denburg sowie die Kriegsbücher und Reiseberichte berücksichtigt. Indes Gedichte oder Kritiken über Theater oder Kunstausstellungen, Bespre­chungen von Büchern werden nur in besonders wichtig scheinenden Fällen herangezogen. (S. 27) So wird denn der Lyriker Fontane nur selten gewür­digt. Das| gilt sowohl für die Balladen wie auch für die späte Lyrik Fontanes.

Die Vernachlässigung der Lyrik, zumal der Balladen, hängt allerdings, wenn auch nur zum Teil, mit der zweiten Einschränkung zusammen, die Schober vomimmt. Er beschränkt sich nämlichgrundsätzlich bei der Aus­wahl der zu behandelnden Werke auf solche, deren Inhalt nicht hinter die Zeit Friedrich Wilhelms I. zurückgeht. (S. 26) Ausgeschlossen bleiben dem­gemäß diejenigen Werke Fontanes, die ihrem Stoff nach in die Zeit vo r- etwa 1713 gehören. Damit soll einerseitsFontanes im Laufe der Jahr­zehnte immer stärker hervortretendes Interesse für die Zeit und die Gesell­schaft betont werden, in der er lebte. (S. 26) Andrerseits glaubt Schober, diese zeitliche Begrenzung damit rechtfertigen zu können, daßin d^n ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts die Eigentümlichkeiten des preu-

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