ßischen Staates entstanden, die wenigstens zu einem Teil noch bis zum Lebensende Fontanes und darüber hinaus gültig waren“. (S. 27) Daraus folgt z. B., daß „Grete Minde“ nicht behandelt wird. Warum aber auch „Ellernklipp“ keine Berücksichtigung gefunden hat, bleibt unklar, denn die Handlung von „Ellernklipp“ setzt erst in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts ein. Diese — nicht ganz einleuchtende — Stoffauswahl ist allerdings so eingerichtet, daß sie Fontane als den Ethiker eines idealen Preußen, wie Schober ihn versteht, besonders eingehend zu Wort kommen läßt.
Das Buch ist einer gut verständlichen Sprache geschrieben und behandelt nach der Einleitung und einem Abschnitt über Fontanes Leben die Werke in einundzwanzig Kapiteln. Eine Bibliographie, Quellennachweise und Anmerkungen sowie ein Personenregister beschließen den Band.
Das Buch bringt keine neuen literaturwissenschaftlichen Erkenntnisse. Das war, wie gesagt, auch nicht beabsichtigt. Jedoch läßt die Art der Rezeption der Ergebnisse der internationalen Fontane-Forschung durch den Verfasser erkennen, daß dieser ein konservatives Fontane-Bild und Preußen-Bild hat. wiewohl Schober die Gesellschaftskritik Fontanes in seine Darstellung breit einbezieht.
Das zeigt sich auch bei der Behandlung des Ethos Fontanes und bei der Verwendung jener Devise „In Freiheit dienen“, die in dem Buch eine zentrale Rolle spielt.
Diese Devise kann in zwei Richtungen wirksam werden. Erstens kann die Freiheit dazu genutzt werden, daß der einzelne die gesellschaftlichen Erfordernisse zu seiner Sache macht, so daß er den „Dienst“ willig übernimmt. Zweitens kann die Freiheit aber zu Einsichten führen, die von den gesellschaftlichen Geboten abweichen, also zu Ungehorsam und einer Art Fronde, so zum Beispiel in „Vor dem Sturm“ (vgl. S. 140). Doch die Hauptrolle spielt natürlich die erste Version.
Es kann und soll nicht bestritten werden, daß Fontane in den fünfziger Jahren bis hin zu den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts der Auffassung war, daß das „Dienen“ unter festem Befehl („Fester Befehl“ lautet der Titel eines Gedichts aus den achtziger Jahren, dessen letzte Zeilen Schober, S. 220, anführt) das Beste und das Richtige sei und daß der dabei erforderliche Gehorsam sich als nützlicher erweist, wenn er kein „toter“ Gehorsam ist, sondern auf freier Zustimmung beruht. Diese Überzeugung Fontanes kommt, außer in „Graf Petöfy“, am klarsten und eindeutigsten an einer Stelle in dem Kriegsbuch „Aus den Tagen der Okkupation“ (Kap. „Kassel“; entstanden 1871) zum Ausdruck, die Schober (S. 128) zitiert. Indes ist ziemlich sicher, daß diese noch sehr konservativen Auffassungen mit den neuen Einsichten nicht mehr harmonieren, die Fontane in „Der Stechlin“ entwickelt hat und die doch auch Schober herausarbeitet. „In Freiheit dienen“ ist eine Formel, mit der die wesentlichen Intentionen des späten Fontane nicht mehr umschrieben werden können. Und erst recht kann sie für die Gegenwart und die Zukunft nicht mehr verbindlich sein. Sie ist bestenfalls von partiellem historischem Interesse und heute schlechterdings nicht mehr brauchbar, da das „Dienen“ mit dem heute erforderlichen
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