Heft 
(1885) 27
Seite
625
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Roman

von

Johannes van Dewall.

Erstes Kapitel.

er Dampfer war signalisirt; schon schwebte der Leuchtkorb oben auf der Elbhöhe in der schwülen Sommerluft. Wie ein zweiter Mond sah er aus, von hier unten gesehen, vom Hafenthor, in dessen Nähe die trans­atlantischen Dampfer anzulegen pflegen; wie eine etwas kleinere, schlecht beleuchtete Kopie des glänzen­den, vollen Mondes, welcher soeben am wolkenlosen Himmel hinter der schwarzen, imposanten Masse des Seemannshauses auf der Höhe des Stintsanges * herausstieg.

Rechts und links, den breiten, starkflutenden, glitzernden Strom entlang lag ein unabsehbares Ge­wirr von Masten und Schloten, Raaen und Stengen, darunter die dunklen Leiber der Schiffe, drüben von den Werften des Steinwärder herüber und auf den breiten Landungsbrücken blinkten die Lichter, welche zitternd auf dem Wasser sich wiederspiegelten in langen Streifen; zur Linken, im Schatten der Nacht vom Mondlicht übergoffen, lag das Häuscrgewirr Ham­burgs, überragt von etlichen dunklen Pyramiden, unter denen der Thurm der Nikolaikirche sich besonders

* Auch Elbhöhe genannt.

Deutsche Roman-Bibliothek. XII. 14.

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auszeichnete, welcher sich hundertvierundvierzig Meter hoch dem Himmel entgegenreckte.

Gegen fünf Uhr Nachmittags war die höchste Flut gewesen, es war nämlich Springflut heute, nun ebbete es scharf, deßhalb hatte die fälligeFrifia" Verspätung, doch war sie über Blankenese und den Süllberg bereits hinaus, sie mußte also in kurzer Zeit binnen kommen.

Aus den breiten Elbkais, mit ihren im Mond­licht glänzenden Granitquadern, wogte ein dichtes Gewühl von Menschen geräuschvoll durcheinander: Hoteldiener, Quartiersmänner*, Schürger und Wagen­führer, Leute mit Körben, die allerhand Kram seil hielten, grünröckige Zollbeamte und ein ebenfalls grüner Gendarm, Herren und Damen, welche Be­kannte mit dem Schiffe erwarteten, und Müßiggänger. Eine ganze Reihe von Equipagen hielt an der andern Seite, neben dem Restaurationshause, die Kutscher auf dem Bock, welche lässig ihre Pfeifchen rauchten und über die Köpfe der Pferde hinweg von ihren erhöhten Sitzen aus nach dem Dampfer auslugten, der in Kurzem hinter dem Gewirr der großen, eng­lischen Kohlendampfer längs Altona zum Vorschein kommen mußte.

Die Wartenden standen zum Theil geschäftsmäßig oder in phlegmatischer Ruhe da, theils fluteten sie schwatzend und scherzend durcheinander und freuten sich der kühlen Brise, die ab und zu erfrischend, nach

Speicherleute.

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