Heft 
(1885) 28
Seite
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Deutsche Noman-Sibtiothek.

tief das Unausreichende des bloß Angelernten. Eine Sehnsucht nach dem Einfacheren, Natürlicheren regt sich beständig in uns, und diese Sehnsucht ist viel­leicht unser Bestes."

Ein freundlicher Blick Feßler's, der mit feinem Ohre heraushörte, daß all' das wenn nicht selbst­ständig gedacht und gefühlt, so doch wenigstens auf­richtig nachempfunden war, streifte die Künstlerin, die nunmehr ihrerseits durch diesen Blick ermuthrgt in ihrem Thema fortfuhr:

Und diese sich in gefällige Formen kleidende Natürlichkeit, die Wien so Zweifellos vor uns voraus

hat, woher kommt sie? Wenn mich nicht Alles täuscht, so spricht die Kirche dabei mit, die ja von alten Zeiten her die Formen des Lebens bestimmte, die Kirche sammt den Dienern der Kirche. Pater Feßler wolle mir nach einer nur nach Minuten Zählenden Bekanntschaft eine solche Liebeserklärung in Ueberfallssorm freundlichst Zugute halten. Aber dabei muß es auf jede Gefahr hin bleiben, außer Ihrer schönen Kaiserin hat Wien nichts, das mich so sympathisch berührte, wie seine Geistlichkeit, Jesuiten und Liguorianer mit eingeschlossen."

(Fortsetzung folgt.)

---»WZ

Aus der neuen

Kahnfahrt.

von

Gustav Greuel.

(Ungedruckt.)

Das Abendgold von den Bergen rann,

Und fern verklangen die Glocken,

Das Mondlicht silberne Kränze spann Dir um die seidenen Locken.

Aus grünen Fluten raunte es bang,

Du beugtest lächelnd dich nieder

Und schlangst dir Rosen und blühenden Tang

In's Haar und um's schwellende Mieder.

Da rauscht's im Grund. Mit leisem Schrei Stürzt' ich zu deinen Füßen:

Mir war's, als wollten dich Nix und Fey Jauchzend als Königin grüßen.

Und schimmernd kam die Sternennacht Gb Schilf und Röhricht gezogen,

Ich hielt bei dir die Königswacht Aus rauschenden, schmeichelnden wogen;

Und schwur dir cw'ge Vasallentreu Und Schutz gegen Sturmnoth und Klippen Du küßtest lächelnd die Schwärmerei Von meinen stammelnden Lippen.

Deine schuld.

Von

Max Brauer.

Daß ich plauderte, daß ich verrathcn, was Frau Minne mit uns betrieb,

Daß ich schwatzte von unsren Thaten, Darum zürnst du mir, thörichtes Lieb?

Du hast selbst'ja die Schuld gegeben,

Deine Lippen nur sind der Grund:

Seit sie mich küßten, da fühl' ich beben, Zittern noch wie in Rhythmen den Mund.

deutschen Lyrik.

Haben Alles erzählen müssen,

Meine Lippen, von dir gefeyt, wonneberauscht von deinen Küssen Und begeistert in Seligkeit!

(Aus:Mein lvanderfrühling". Leipzig. Breitkoxf Härtel, t88Z.)

L e n Z l i e d.

(Aus Italien.)

Von

D e ni s e l b e n.

(Ungedruckt.)

Nun ist erschienen Der Lenz wie ein Traum; Ls summen die Bienen Im Nandelbaum.

Und über Nacht, was singt und was lacht, Mit den Knospen allen Und Nachtigallen Ist's ausgewacht.

Hell liegt die ganze verjüngte Welt Im Maienglanze;

Und hochgeschwellt In den Adern kreist Glückseliger Geist,

Der nun auf Erden Ein neues werden wie Wunder verheißt.

Da kommt mit dem Blühen Iil's Herz mir auch Ein Lenzerglühen,

Lin heißer Hauch;

In's Herz mir bricht Mit dein Sonnenlicht,

Mit dem Frühlingsgetriebe Aus neue Liebe Die Zuversicht!