Heft 
(1885) 29
Seite
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Graf petösy von Theodor Fontane.

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Sepp als Lohndiener und einen Frack an. Und Alles bloß für uns, Fräulein Phemi, wirklich bloß für uns. Denn an der nächsten Ecke sah ich sie Kehrt machen, und ehe ich noch bis hundert zählen konnte, hielten sie schon wieder vor dem.König von Ungarn'."

Franziska war mehr bestürzt als erfreut. Aller­dings waren ihr die Winterabende bei der Gräfin in durchaus freundlicher Erinnerung, aber die Be­ziehungen von damals wieder ausgenommen zu sehen, entsprach wenig ihren Wünschen.

Am andern Tage gaben beide Damen in Ab­wesenheit der Gräfin ihre Gegeukarten ab, und Fran­ziska lebte der Hoffnung, daß es dabei sein Bewenden haben werde. Darin irrte sie jedoch, und schon der­selbe Tag war dazu bestimmt, eine persönliche Be­gegnung herbeizusühren.

Es kam dieß so:

Zu den kleinen Zerstreuungen Frauziska's und Phemi's gehörte namentlich auch der Bahnhofsbesuch, wo sie zu promeniren und das bunte Treiben der ankommenden und abgehenden Züge zu beobachten pflegten. Auch heute hatten sie sich eingesunken und bogen eben aus den Anlagen in den parallel mit der Bahn lausenden Kiesweg ein, als Franziska der Gräfin ansichtig wurde, die, von ihrer Kammerjungfer gefolgt, auf dem Perron auf und ab ging und eben­falls den von Wien ankommenden Vieruhrzug abzu­warten schien. Es fehlten nur noch einige Minuten. Ein Sichvermeidenwollen wäre wenig schicklich, außer­dem auch undurchführbar gewesen, und so trat denn Franziska an die Gräfin heran und bat nach den ersten Begrüßungsworten, ihr ihre Freundin Euphemia La Grange vorstellcn zu dürfen. Die Gräfin reichte dem Fräulein die Hand und sprach ihr Bedauern ans, den ihr zngedachten Besuch der beiden Damen verfehlt zu haben, zugleich Franziska versichernd, wie sehr sie sich freue, die so plötzlich unterbrochene Winter- bekanntschast in diesen schönen Maitagen erneuern zu können.

Ich habe von Ihrer andauernden Krankheit gehört," fuhr sie fort,und muß mich anklagen, mich dabei so säumig und anscheinend theilnahmlos gezeigt zu haben. Aber ich war gut unterrichtet, erst durch meinen Bruder und später durch meinen Neffen, Gras Egon. Und nun bitt' ich die Damen, einen Platz für mich suchen oder wenigstens die Promenade wieder ansnehmen zu wollen, denn meine Füße ver­sagen mir im Stehen den Dienst und mahnen mich an die lange Reihe meiner Jahre."

Dabei schritt sie den Damen voraus aus ein Tempelchen zu, das aus einem künstlich aufgeworfenen Hügel inmitten der Anlagen errichtet war. Ehe sie jedoch die Stufen desselben erreichen konnte, hörte sie schon das Herannahen des Zuges und entschuldigte sich uun, das eben erst begonnene Gespräch auch schon wieder abbrechen Zu müssen, aber sie sei hier, um einen lieben Freund zu begrüßen, den sein Weg von Wien aus nach Wiener-Neustadt führe.Sie kennen ihn ja, mein liebes Fräulein," setzte sie hinzu, Pater Feßler, ein eifriger Verehrer von Ihnen und als solcher oft der Gegenstand unserer Neckereien.

Deutsche Roman-Bibliothek. XII. 15.

So Sie mir gestatten, bring' ich ihm Grüße von Ihnen." Und damit empfahl sie sich und ging, von ihrer Jungfer gefolgt, auf den Perron Zurück.

Euphemie sah ihr nach und sagte:Charmante alte Dame, jeder Zoll eine Gräfin. Ich glaube Zwar, trotz aller Liebenswürdigkeit, sehr stolz. Aber es ist mit dem Stolz wie mit der Tugend, worüber ich Dir erst neulich einen kleinen Vortrag gehalten habe; weißt Du noch? Und sieh', Alles, was ich Dir damals von der Tugend und den Tugendhaften sagte, das paßt auch auf die Stolzen. Ich leg' ihre Karte noch nrehr obenauf... Aber wer ist nur der Pater Feßler?"

Ueberzeuge Dich selbst; eben ist er ausgestiegen und spricht mit der Gräfin."

Ein schöner Mann."

Und sehr angenehm im Umgang."

Er wird Dich am Ende noch bekehren."

Zweifle."

Wer weiß? Eine geborene Predigerstochter und gewordene Liebhaberin und Soubrette, nimm mir's nicht übel, Fräuzl, aus solchen Zuthaten kann Alles werden."

*

Seit dieser Begegnung hatte sich ein Verkehr zwischen hüben und drüben entwickelt, der sich in­dessen aus bloße Begrüßungen beschränken Zn wollen schien. Jeden Morgen, wenn beide junge Damen auf ihrer Veranda saßen und Phemi die Zeitung stndirte denn sie war eine Politikerin, ungemein für Freiheit und noch mehr für Aristokratie er­schien die Gräfin auf ihrem Balkon, anscheinend um nach dem Wetter, in Wahrheit aber, um nach den jungen Damen zu sehen, und wenn dann diese sich erhoben, um ihren Respekt zu bezeugen, so nickte sie Beiden ihren Morgengruß zu, bevor sie sich wieder in ihre Zimmer oder am liebsten auf einen nach hinten zu gelegenen Gartenbalkon zurückzog.

Aber dabei blieb es.

Es wird nicht viel," sagte Phemi, die sich über dieß Halbverhältniß ärgerte.Wir kommen nicht von der Stelle mit ihr, und am Ende wär' es besser gewesen, wenigstens für mich, Gras Egon hätte mir dieß Oeslauer Idyll und die Ruhe meiner Seele nicht gestört. Ach, es war so still hier, Franziska, so konflikt- und tragödienlos, und wenn ich vielleicht doch noch Medea war, so war es Medea während der Freundschaftsschließung mit Kreusa, die Zeit vor­der Eifersucht und den unliebsamen Gefühlen über­haupt. Wirklich, ich war wie Fridolin in der Bal­lade so sanft und rein und natürlich auch glücklich, aber seitdem dieser Maledetto von Egon hier war, ist eine totale Genrüthsverkehrung mit mir vor­gegangen. Ich habe meine Fridolinrolle vertauscht und könnte mich jeden Augenblick an's Spinnrad setzen. Meine Ruh' ist hin, mein Herz ist schwer. Wirklich, Schatz, ich werde täglich nervöser, und wenn nicht bald etwas geschieht, so reis' ich ab."

Ich weiß, Du wirst bleiben, Phemi; Du hast ein Zeugniß auf Molkenkur und mußt nun ans­halten. Alles straft sich und am meisten das Lügen... Aber da kommt ja der lange Sepp von drüben, und

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