Heft 
(1885) 31
Seite
730
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Deutsche Noman-BibLiothek.

Neugier der drei Herren noch ein Weniges warten zu lassen."

Einverstanden. Man soll es den Klatschbasen beiderlei Geschlechts nicht allzu bequem machen. Und nun sieh' Dich um in der Galerie. Toldy kennt sie besser als ich."

Damit ging er, und Franziska blieb mit Toldy zurück. Dieser, so wenig er von Bildern verstand, war doch in dem Einen ein guter und geschulter Galeriediener, daß er sich die schwere Kunst,nicht zu stören", all' seiner sonstigen Plauderhaftigkeit zum Trotz angeeignet hatte. Klug hielt er sich zurück, auch heute wieder, immer abwartend, ob Franziska nach ihm verlangen würde.

Diese trat ohne Weiteres an eine der Längs­wände heran, an der sich in stattlicher Reihe die lebensgroßen Bilder der Familie Petösy besanden. Ueber Alles, was noch Rüstung und hohe Reiter­stiefel trug, ging sie schnell hinweg und verrieth erst Aufmerksamkeit, als sie bei Bildnissen angekommen war, die diesem Jahrhundert angehörten. Alle hatten Inschriften, entweder unmittelbar aus der Unterleiste des Goldrahmens, oder aber auf kleinen Täfelchen, die, fo schien es, neuerdings erst angehängt worden waren. Eine Rothblondine mit einem Rembrandt- hut und einer Straußenfeder darauf fesselte sie ganz besonders. Sie zweifelte keinen Augenblick, wer es sei, befragte aber doch das Täfelchen und las: Arabella Howard, geb. 9. März 1785 auf Arnndel Castle, Sussex; vermählt 21. März 1803 mit Graf Michael Petöfy; gest. 11. Februar 1837 auf Schloß Arpa."

Des Grafen Mutter also, wie sie gedacht hatte. Das Bild schien bereits Jahr und Tag vor der Ver- heirathung, trotzdem diese schon mit achtzehn Jahren stattgefunden hatte, gemalt worden Zn sein und ließ die Lady jugendlicher als ihre zwei Töchter erscheinen, unter denen nur die Züge der jüngeren an die der Mutter erinnerten.Eveline Gräfin Petösy, geb. 10. November 1816, vermählt mit Graf Aribert Asperg 1841, gest. den 13. August 1845 zu Wien." Das Täfelchen trug einen Flor, und Franziska sagte, während sie die beiden letzten Zahlen verglich: Ein kurzes Glück, wenn es ein Glück war."

Das letzte Bild, das in der Reihe hing, war das des Grafen, etwa vor Zehn Jahren erst gemalt. Er trug Frack und Ordensstern; das Haar war noch voll, aber schon beinahe weiß.

Zwischen diesem Bild und dem abschließenden Eckpfeiler war noch ein Platz frei. Franziska blickte fest auf die leere Stelle, bis sie sich selbst zu sehen und das Täfelchen zu lesen glaubte.Franziska Franz, geboren ..." Und ein banges Gefühl über­kam sie plötzlich, wie wenn sie hier doch nur eine Fremde sei, nur durch Laune geduldet und zugelassen. Aber dieß Gefühl währte nicht lange. Sie hatte zu viel von vornehmer Welt gesehen, um sich durch bloße Namen auf länger als einen Augenblick im- poniren zu lassen. Und so wandte sie sich von den Ahnenbildern fort und trat an die Längswaud gegenüber.

Hier befanden sich große Tableaux mit viel Roth und Gelb, über deren Roth und Gelb noch mehr

Grau schwebte.Schlachtenbilder also." Gleich das erste die Täfelchen fehlten hier war unverkenn­bar ein Bild aus der Zeit der Türkenkriege: Halb­mond und Noßschweife füllten das Feld, und in der Mitte sprang eine Festung in die Luft.

Zriny," sagte sie lächelnd. Aber mit diesem Zrinybilde, mit dem das Türkische begann, schloß es auch wieder, und was weiter kam, waren neuere Schlachten, die nicht weiter zurückgingen als bis Groß-Aspern oder Marengo. Sie sah flüchtig drüber hin und sammelte sich erst wieder, als sie bei dem letzten angekommen war, auf dem sich zwei feindliche Heere gegenüberstanden, von denen das eine, so schien es, eben die Waffen gestreckt hatte. Die Waffen lagen aber nicht am Boden, sondern waren zu Pyra­miden Zusammengestellt, an denen bunt und malerisch Czakos, Säbel und Patrontaschen hingen. Im Vorder­gründe blickten einige der gefangenen Führer finster schmerzlich zur Erde, während sich auf den Gesichtern der Soldaten abwechselnd Wuth und Verzweiflung spiegelten. Was war es? Auch hier fehlte das Täfelchen, aber in dem Rahmen selbst war ein­geschrieben:Vilagos, 13. August 1849."

Siebenzehntes Kapitel.

Diese Kapitulation von Vilagos war augenschein­lich das beste Galeriebild, aber sich in dem, was Porträt darauf war, Zurecht Zu finden, wollte Fran­ziska trotz aller Anstrengung nicht gelingen. Und so sah sie sich schließlich doch gezwungen, Toldy heran­zuwinken. Für diesen ein lang ersehnter Moment.

Ich finde mich nicht Zurecht, Toldy," sagte sie. Hier links, so viel erkenn' ich an den grünen Uni­formen, ist Alles russisch und das hier seid ihr. Aber ich kenne Niemand. Wer ist Der hier, der Graubart?"

Ist Kiß; General."

Todt?"

Todt. Piff paff!" Und er hob beide Arme wie zum Gewehranschlag.

Und Der hier?"

Ist Nagy Sandor; General."

Todt?"

Todt." Aber statt der Bewegung des Gewehr­anschlages machte er jetzt die des Gehenktwerdens. Und," fuhr er nunmehr, ohne weitere Fragen ab­zuwarten, in immer lebhafter werdendem Tempo fort,hier Leiningen, General; todt. Und hier Aulich, General; todt. Und hier Rüdiger, General; aber russischer General. Und hier Görgey, Hund."

Das darfst Du nicht sagen, Toldy."

Darf ich sagen, Gräfin gnädigste. Görgey Verräther, und Verräther. . . Hund." Und dabei funkelten ihm die alten Augen und ein nngrisch un­verständlicher Redestrom kam von seinen Lippen, dem Franziska nichtsdestoweniger mit Hülse zahlreich ein­gestreuter Namen entnehmen konnte, daß vom Grafen Ludwig Batthiany, ganz besonders aber von den Galgenexekutionen vor Arad die Rede war.

Als er endlich schwieg, dankte sie dem Alten, ohne seinen Haß gegen Oesterreich und Görgey noch irgendwie weiter rektisiziren zu wollen, und verließ den Bildersaal, um unter Vermeidung der Wendel-