Heft 
(1885) 31
Seite
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Graf Petöfy von Theodor Fontane.

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treppe durch das Billardzimmer in ihre Wohnräume zurückzukehren.

*

Als sie diese betrat, heimelte sie das überaus Behagliche darin an, aber die Fahrt und mehr noch die Galerie hatten sie müde gemacht, und so streckte sie sich auf eine dem Fenster gegenüberstehende Chaise­longue und schlief ein.

Als sie wieder erwachte, stand Hannah in der Thür.

Ich wollte Dich nicht stören, denn Du brauchst Schlaf; aber der Gras schickt eben schon zum zweiten Male: die Herren würden zu Tische bleiben. Er er­wartet Dich also."

Franziska fühlte sich wenig angenehm von dieser Meldung berührt und erschrak fast. Es war ihr nicht zu Sinn, eine Konversation mit ungrischen Edelleuten zu führen, mit Kavalieren, deren Ton und Ausdrucksweise sie von ihren Wiener Tagen her nur zu gut kannte. Mit wachem Auge weiter zu träumen, wäre ihr das ungleich Liebere gewesen. Es galt aber, sich dieser Stimmung so rasch wie möglich zu entreißen, und so setzte sie sich an den Spiegel, um ihrer Toilette den Abschluß zu geben.

Gib mir noch das venetianische Collier, Hannah; ich glaube, der Graf freut sich, wenn ich es trage. So. Und nun noch den Fächer. Ach, Hannah, ich wollte, ich säß' erst wieder an diesem Tisch hier und hätte nichts um mich und nichts über mir als die Mutter Gottes und den kleinen Christus, der mir den Rosenkranz entgegenhält. Ich wollt' ihn lieber zwölsmal abbeten, als von Oberst Szabo zwölf Artigkeiten hören. Ich empfinde doch nur Gene dabei."

Sei nur erst im Feuer, so kommt Dir der Muth. Es ist gerade wie beim Theater."

Ja, Du hast Recht, ganz so. Sie sind auch wirklich nur gekommen, mich als Gräfin auftreten zu sehen. Und haben nebenher noch das Vergnügen, selbst mitspielen zu dürfen."

Vorstellung und Begegnung waren ganz so ver­laufen, wie Hannah prophezeit hatte. Nach Ueber- windung einer ersten Scheu war Franziska gesprächig geworden, und bei Schluß der Tafel stand es außer Frage, daß man sich gegenseitig gefallen hatte. Nur Eines war ihr unbequem gewesen: ein gewisses Ueber- maß von Zurückhaltung und Respektsbezeugung, das augenscheinlich vorher verabredet worden war. Aber sie war andererseits Zu klug und zu billig denkend, um nicht den Unmuth darüber verhältnißmäßig leicht zu verwinden.Die goldene Mitte zu halten ist unter allen Umständen schwer, und die vornehme Welt kann es am wenigsten. Es dünkt ihr das Bequemste, sich in Extremen zu bewegen."

Der Kaffee war nicht auf der Veranda, sondern auf der obersten Parkterrasse genommen worden, von der aus sich das Landschastsbild weniger großartig als in der Front, aber dafür auch um so lieblicher präsentirte. Das, was voll künstlerischen Sinnes von Seiten des Grasen an dieser Stelle geschehen war, steigerte nur diesen Eindruck und so konnte es denn

kaum ausbleiben, daß Huldigungen über Huldigungen gegen ihn laut wurden, am meisten im Hinblick auf den Teich und die Trauerweiden, über die mehrere hohe dunkle Cypressen von der untern Terrasse her hinwegragten. In der That, es war ein entzückendes Bild und der Abend ohne Luftzug und ohne Schwüle. Nur dann und wann kam von den Rosenbeeten her ein leiser Hauch herüber.

*

Es war kurz vor Sonnenuntergang, als die drei Herren aufbrachen. Ihr Wagen verfolgte von Ter­rasse zu Terrasse denselben Schlängelweg, den Gras und Gräfin auf ihrer Vormittagsfahrt innegehalten hatten, und Beide sahen jetzt dem im schnellsten Trabe dahinjagenden Gefährte nach, bis es die letzte Biegung bei der Gruftkapelle gemacht und sich in dem Wiesengrunde, darin es bereits dunkelte, ver­loren hatte. Aber noch in dem Dunkel verfolgten sie die Spur.

Als Franziska nach einer Weile wieder Platz genommen, nahm der Graf ihre Hand und sagte:

Du hast Dich tapfer gehalten, Fränzl, und aus den alten Szabo kannst Du nun rechnen. Devaviany bedeutet nicht viel, er ist von alter Zeit her ein Narr und denkt an nichts als an seine Handschuhe. Sahst Du wohl, wie kokett er sie strich und streichelte? Bleibt also nur noch Perczel. Und der ist bon gartzoo. Szabo allein gilt; er hat den Ruf und Ruhm, den alle Spötter haben, nicht vor Gott, aber doch in der Gesellschaft und zumal in der unsrigen. Und weil ich nun 'mal von der Gesellschaft spreche, so laß mich auch gleich von unserem Leben sprechen, das halt kein Leben sein kann wie bei Vefour oder Very. So viel steht leider fest. Es hilft aber nichts, Fränzl, und auf ein bischen Einsamkeit und Langeweile wirst Du Dich schon gefaßt machen müssen. Ich kann's nicht aus der Welt schaffen."

Und sollst Du auch nicht, Petöfy. Es ist mir so recht, wie's ist. Daß ich Dir's nur gestehe, mich erquickt diese Stille geradezu."

Gewiß, so lange Dir noch der Lärm der großen Stadt im Ohre klingt. Aber ist der erst 'mal ver­klungen, ganz verklungen, so verlangst Du auch wieder darnach. Gib Acht, ich weiß das. Und so Hab' ich mir's denn überlegt, wie wir's machen wollen, um die große Leere nicht anfkommen Zu lassen oder sie doch wenig­stens hinauszuschieben. Denn zuletzt kommt sie doch. Und nun höre. Mit unserem Schloß hier bist Du so gut wie fertig und wenn nicht heute, so doch morgen. Man kann eben nicht immer aus den See sehen, so schön er ist, und außer dieser Terrasse, die Dir den Blick in den Park und die niedergehende Sonne gönnt sieh' nur, wie sie da zwischen den Cypressen hängt hast Du nichts hier als den alten Thurm und die Bibliothek und die Bildergalerie. Vielleicht noch das Billard. Spielst Du?"

Nein."

Also Beweis mehr, wie nöthig uns ein Pro­gramm ist."

So gib es."

Ich denke mir also, wir haben ein gemeinschaft­liches Frühstück ein- für allemal und Du plauderst