Heft 
(1885) 31
Seite
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Deutsche Roman-Bibliothek.

mir dabei vor, was Du die Stunden vorher geträumt hast. Gute Träume kommen einem Sensationskapitel am nächsten; übrigens brauchen sie nicht wahr zu sein, nur hübsch und nnterhaltlich. Und dann entlass' ich Dich in Gnaden, und Du bist srei bis zu Tisch. Aber so leicht das klingt, so schwer wiegt es, denn es ist eine lange, lange Zeit, und unser Besuch heute 'hat uns nur zufällig mit einer Ausnahme debütiren lassen. Also frei bis Zu Tisch, bis Sechs. Dann speisen wir, und gleich darnach beginnt unser eigent­licher Tag, oder sag' ich lieber der meinige. Nach Tisch haben wir dann noch eine Fahrt etwa wie heute früh, und unterwegs erzählst Du mir dieß und das und gibst mir eine Quintessenz aus der Plauder­ecke der Zeitung."

Auch vom Theater?"

Ei, gewiß. Das ist ja gerade das Beste, Fränzl, das ist die Hauptfach'. Es war mir schon recht heute, daß der Geck von Devaviany meiner lieben kleinen Gräfin die Ehre gegönnt und über seine neuesten Coulissenconnaissancen denn er wechselt jede dritte Woche geschwiegen hat, aber wenn wir unter uns sind, Fränzl, und in dem Korb­wägelchen über die Wiese fliegen, ei, dann will ich auch hören, was mir Spaß macht, von dem Speidel und dem Spitzer und dem Herrn von Dingelstedt und dem Herrn von Laube. Versteht sich. Und will auch hören, ob uns der Strakosch wieder ein neu Genie präparirt, oder ob uns der Herr von Wil- brandt eine neue römische Kaiserin appetitlich zurecht

macht. Ja, Fränzl, davon will ich hören. Und dann nehmen wir unfern Thee, wär's auch nur, weil ich die kleine blaue Flamme so gerne seh', viel lieber als die bei Schwester Judith, und nach dem Thee, nun, da spielen wir ein Schach oder noch lieber ein Piquet. Aber Du darfst nicht betrügen und nicht vierzehn Buben ansagen, wenn Du sie nicht hast. Und wenn dann Vollmond ist oder auch nur die Sichel über der Terrasse steht, dann laß ich den Hanka kommen und den Toldy, denn wenn wir sie Beide haben, dann überbieten sie sich und will jeder der Erste sein, und dann haben wir einen CZardas und sehen zu, wie sich das junge Volk im Kreise dreht."

Und ich tanze mit."

Tanzt Gräfin mit," lachte der Gras.O gewiß, das paßt. Und der Andras weiß sich zu schicken. Ist Magyar."

Und bei solchem Leben, Petöfy, willst Du mir noch von Einsamkeit und Langeweile sprechen? Das ist ja wie aus dem Märchen."

Ja, Fränzl, wie aus dem Märchen. Freilich. Aber ein Märchenleben ist kein Leben. Es fehlt was darin."

Und das wäre?"

Die Menschen."

Ich entbehre sie nicht."

Jetzt nicht, heute nicht. Aber es wechselt Alles. Und ein Tag ist kurz und ein Tag ist lang."

(Fortsetzung folgt.)

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Aus der neuen deutschen Lyrik.

Auf den Bergen! Von Hermann v. Bequignolles.

(Nngedruckt.)

Ihr Städter unten im dumpfen Thal,

Euch plagt noch der Winter mit seiner Viral, Ihr habt noch kein Ahnen von Auserstehn,

Ich aber habe den Frühling gesehn Auf den Bergen.

Es steht eine wiege aus luftiger Höh',

Dort spielet ein Büblein im schmelzenden Schnee, Springt hin und wider iin Sonnenglanz,

Trägt in den Locken 'nen grünen Kranz Aus den Bergen.

Das sprach zu dem finstern Wandersmann Gar artig:Grüß Gott!" und lachte ihn an.

Da spürt' er ein Schmelzen in wunder Brust,

Ein süß Erinnern an Lieb und Lust Aus den Bergen.

Du liebes Büblein, wie heißt denn du?" Kennst nicht den Frühling?" rief's lustig mir zu. Grüß' mir die Menschen viel tausendmal,

Bald steig' ich hernieder in's traute Thal Von den Bergen."

Und hellausjauchzend nach Knabenart Entsprang der Kleine zu froher Fahrt,

Und an der Stelle, wo er stand,

Da blühte ein Veilchen am Wiesenrand Aus den Bergen.

Ihr Städter unten im dumpfen Thal,

Luch plagt noch der Winter mit seiner Vnal,

Ihr habt noch kein Ahnen von Anferstehn,

Ich aber habe den Frühling gesehn Auf den Bergen.