Die Erbtante von Johannes van Dervatt.
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Roman
von
Johannes van Dewall.
(Fortsetzung.)
Neunzehntes Kapitel.
m nächsten Morgen neuer Grund zu Aergcr und Besorgnissen: zuerst kam der Vater mit einer Zeitung in der Hand zum Frühstück und legte diese zornig vor Egbert nieder.
„ Lies das, mein Sohn — aber laut!" befahl er und schleuderte einen Blitz auf seinen Erstgeborenen.
„Ach, Papa, — was gibt's denn nur?" fragte die naive Frida.
„Du wirst es gleich hören," versetzte dieser ingrimmig.
Karola schwieg, aber sie blickte sehr vergrämt und besorgt aus ihren tiefliegenden Augen hinüber... was war nun das wieder?
Der Assessor sah sehr erstaunt und nicht wenig empört drein über den Ton, mit welchem der „Alte" ihn anließ. Sein Erstaunen wurde aber noch um ein Bemerkliches größer, als er den kleinen Artikel im „Kurier" las, in welchem sein Name auf eine so ehrenvolle Weise genannt war. Er wurde unter den forschenden Augen der Anderen zuerst ein wenig blaß und dann sehr roth. Der Klemmer fiel von seiner Nase . .. Unerhört!
„Dieß ist entschieden eine Verwechslung," log er, sich gewaltsam zusammennehmend, erhob sich und ging wüthend, rücksichtslos, mit großen Schritten davon.
„Aber Papa!"
„Schweig', Einfältige!" herrschte der Vater die Jüngste an und begann nun die ganze Schale seines Zornes vor seinen Töchtern auszuschütten. Seinen Namen so an den Schandpfahl zu heften, noch dazu jetzt, wo die Tante hier war, so öffentlich am Pranger zu stehen!
Karola erbleichte.
Der Präsident las zuletzt jenen Artikel mit halblauter Stimme vor und nun gab es ein „Ah!" und ein „O!" nach dem andern, Ausrufe des Zornes und Worte der Anklage. . . Den Namen Steinfurt so zu kompromittiren, sich, sie Alle! . . . Das war unerhört!
Niemand bemerkte Frida's Bestürzung über den Namen Rothkirch, der ebenfalls genannt war.
„Er ist ein Schuldenmacher, ein Spieler, er läuft allen Schürzen nach und verloddert auf feinem Bureau," tobte der Präsident, die Zeitung Zerknitternd in seinen hageren Fingern, „ein einfältiger Genußsüchtler, ohne
Energie, ohne Ehrgeiz; — ich habe viel zu lange schon geschwiegen, jetzt werde ich handeln!"
„Bitte, lieber, lieber Vater, ärgere Dich nicht, denke an Deine kostbare Gesundheit!" flehte Karola, ganz zerknischt.
„O, — der Teufel alterire sich da nicht! Zu alledem auch noch das!"
Er erhob sich so hastig, daß der Gartenstuhl umfiel.
„Aber ich werde hier einen Riegel vorschieben. Nach Indien soll der Herr, da wird er Mores lernen!"
Mit dieser bestimmten Erklärung folgte der Präsident seinem Sohne. Gleich darauf verschwand auch Frida.
Kaum war das vorüber, dann kam die Zweite Unannehmlichkeit: Marie erschien, strahlend und lächelnd in ihrer hübschen Morgentoilette und erklärte, als Abgesandte der Tante Karoline, diese hätte den Wunsch ausgesprochen, heute Abend alle Mitglieder der Familie um sich versammelt Zu sehen — aber alle! Dieß „alle" wurde betont und mit einem gewissen gutmüthigen Blicke begleitet.
Sie hatte ja keine Ahnung davon, wie sauer es Karola wurde, ein nur einigermaßen konvenables Gesicht zu machen. Nur der Gedanke, der ihr blitzschnell durch den Kopf fuhr, daß sie voraussichtlich also gestern unerkannt geblieben sei — o, wie sie sich täuschte! — daß man sie wahrscheinlich im Halbdunkel für eine der Mägde gehalten habe, gab ihr Kraft.
Ein Familienabend und gerade heute, nach dem, was vorlag — welch' ein unerträglicher Zwang! — Dann aber fiel es ihr weiter ein, daß sie sich dabei vielleicht der Tante nähern könnte, daß es ihr gelingen würde, ein Wort einzulegen für ihren Vater, und ihre Mienen klärten sich auf.
Marie beobachtete sie verstohlen, indem sie ihr gegenüber Platz nahm. Sie fühlte Mitleid mit dem alten Mädchen, sie hatte ja eine ungefähre Ahnung von ihren Sorgen, — glücklicherweise besaß sie etwas, um ihr die böse Pille zu versilbern.
„Ich bin übrigens froh, daß ich Sie allein antreffe, Fräulein Karola," begann sie mit gesenkten Lidern und mit den Krumen auf dem Tischtuche spielend, „man ist nämlich einigermaßen Ihnen gegenüber in Verlegenheit."
Hier blickte sie groß und freundlich auf in Karola's erstauntes Gesicht.
„Ja — offen gesagt, Ihre Frau Tante ist in großer Noth "