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Deutsche Noman-Sibliothek.
Leben und Deine Welt sei. Hab' ich Unrecht? Und ist es zudringlich, wenn ich darüber ein Wort zu hören wünsche?"
„Nein, Fränzl, ist nicht zudringlich. Und bist auch viel zu klug, um es zu sein. Ich freue mich, daß Du fragst, und beinahe mehr noch. Dir unumwunden antworten zu können. Aber womit beginn' ich? Gleichviel! In dem, was Du hier gesehen hast, hast Du richtig gesehen; es ist Alles gut ungrisch, und mein altes Herz empfindet es als ein Glück und eine Gnade, daß es so sein darf und daß Alles gekommen ist, wie's kam. Es hätt' eben auch anders kommen können, und dann weiß ich nicht, was aus mir geworden wäre. Jedenfalls kein Glücklicher, der ich jetzt bin und jetzt mehr denn je."
Bei diesen Worten nahm er Franziska's Hand und fuhr dann fort, während er sie mit besonderer Freundlichkeit anblickte: „Sieh', Fränzl, meine Jugend und meine besten Mannesjahre fallen noch in eine Zeit, darin es Fragen wie diese gar nicht gab. Unser altes Oesterreich war so bunt, wie's auch heute noch ist, aber die Farben vertrugen sich unter einander. Ein Jeder hing mit Leib und Leben am Kaiserhaus, und weil das Kaiserhaus gut wienerisch war und wir Alle mit, so wunderte sich Keiner darüber, daß die ganze bunte Landkarte von Wien aus regiert wurde. Das war so Herkommen, immer so gewesen. Und nun vollends in der Armee; da hätt' ich Den sehen wollen, der mir etwas gegen Deinen Namensvetter, den Fränzl, oder auch nur gegen das Ferdinand! gesagt hätt', obwohlen das Ferdinand! ein schwaches Manndl war. Aber ich verliere mich."
„O nein, nein. Nur weiter. Ich höre."
„Nun also, so war's, und es hätt' auch ohne Schaden so bleiben können, wenigstens für mich, der ich kein Politiker war und auch eigentlich bis diese Stunde nicht bin. Aber eines Tages, ,wie der Frühling kommt', so sagen die Einen, oder ,wie der Dieb in der Nacht kommt', so sagen die Anderen, eines Tages waren andere Zeiten angebrochen, und das Feuer, das wir bis dahin, wenn's irgendwo 'mal brannte, mit unseren Militärstieseln leicht ausgetreten hatten, das brannte jetzt durch ganz Oesterreich hin, am meisten aber hier, und ehe Du drei Vaterunser beten kannst, war unser Ungarland wie verkehrt oder meinetwegen auch wie verhext, und auf jeder Fahne stand und flatterte: ,Lieber ungrisch sterben, als kaiserlich verderben'. Auf jeder Fahne stand es, sag' ich, und in jedem Herzen dazu. Ja, Fränzl, wir hatten eine Revolution, und Revolutionszeit ist schwere Zeit, und mehr als Einer ist an ihr zu Grunde gegangen. Laß Dir's von Toldy, der mit dabei war, erzählen, wie sie die Sieben am Festungsthore von Arad gehängt haben, gehängt um was? Bloß weil sie's Ungarland mehr geliebt, als den Eid, den sie dem Kaiser geschworen."
„Und Du, Petöfy?"
„Nun, ich, ich that das, was sonst immer als das Schlechteste gilt und meist auch ist, ich wählte nicht Links und nicht Rechts. Aber dießmal war es doch das Beste. Mußt' es auch sein. Denn sieh', Fränzl, wenn Einer ein richtiges Herz hat und thut dann das, was das Herz ihm sagt, das ist immer
das Richtige, komme, was mag. Und so trat ich denn vor ihn hin, vor meinen Kaiser und Herrn, der dazumalen nicht in Wien, sondern auf Schloß Innsbruck war, und bat ihn um meine gnädigste Demission. ,Jch habe,' so sagt' ich ihm, ,eh' ich Eurer Majestät schwur, Ungarn geschworen; das ist der ewige Blutschwur, den Jeder seinem Lande schwört, dem Stück Erde, darauf er geboren. Hier mein Degen! Ich Hab' ihn für Oesterreich geführt und ich kann und will ihn nicht gegen Oesterreich führen. Aber auch nicht im Kriege gegen mein Land und seine Fahnen. Und nun vernrtheilen mich Eure Majestät, wenn es so sein muß.' Eine Wolke lag da wohl auf seiner Stirn, aber er gab mir doch den Degen zurück und entließ mich in Gnaden, und was nebenher Ungnade war und blieb, das diktirte die Politik, aber nicht sein edles Herz. Ich ging in's Ausland, in alle Welt. Und nun kennst Du den alten Petöfy, der aller Zeiten Wandlungen un- erachtet geblieben ist, was er war: gut kaiserlich und gut wienerisch, aber freilich auch gut ungrisch. Und wenn es zum Letzten geht, gut ungrisch über Alles. Bist Du zufrieden?"
„Zufrieden und dankbar. Ich kenne nun die Richtung, in der ich zu gehen, und den Ton, den ich anzuschlagen habe. Von Ueberzeugungen, so viel bleibt, soll man nicht lassen, aber wo sie fehlen und fehlen dürfen, da soll man sich den Ueberzeugungen Anderer unbequemen. Ich glaube, das ist Pflicht überhaupt und die meinige noch im Besonderen, denn darin täuschst Du Dich, Petöfy, die bloße Causerie reicht nicht aus für unser Leben, ebensowenig wie das beste Feuilleton für eine Zeitung ausreicht; es muß noch etwas Ernsthaftes hinzukommen, sonst wird das Scherzhafte bald schal und abständig. Ich beginne morgen ungrisch, und sind wir im nächsten Sommer wieder hier, so lese ich Dir den Pesti Hirlap in der Ursprache vor, oder wohl gar Jokai's neuesten Roman."
„Im nächsten Sommer," wiederholte Petöfy. „Wer weiß, was dann ist. In meinen Jahren hat man gelernt, nach Tagen zu rechnen, und nimmt den Tag, als ob er das Leben wäre."
Beide schwiegen. Ein leiser Zugwind ging und hob ein paar welke Blätter in die Luft, von denen eines auf Petöfy's Hand niederfiel. Er nahm es und sagte: „Sieh', die Bestätigung. Es wird Herbst."
„Aber nicht Winter. Und von Herbst bis Winter ist eine lange Zeit."
Neunzehntes Kapitel.
Es waren Wochen vergangen und das Leben auf Schloß Arpa gestaltete sich ganz nach Wunsch. Franziska hatte wirklich mit ungrischen Studien begonnen, und tagtäglich kam der kleine, den Unterricht leitende Geistliche von Szegenihaza herauf. Es war ein rundes und behagliches Männlein und verrieth den früheren Klostermönch unter Anderem auch darin, daß er einem immer für ihn bereitstehenden Frühstücke sowohl vor wie nach dem Unterricht lebhaft und geräuschvoll zusprach, bei welcher Gelegenheit er die Fragen seiner Kirche heiter und humoristisch, aber