Heft 
(1885) 37
Seite
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Deutsche Noman-Bibliothek.

Armreifen mit dem gemalten Auge der Geliebten,

alle diese Aushängeschilder und Trophäen der Parvenüs und Dandies erblickte man nicht. Statt den Hals bis an die Ohrläppchen mit ellenlanger Mnsselinbinde zu umwickeln, trugen die Jünglinge ihn frei, nur von einem breiten, nmgeklappten Batist­kragen umgeben. Die beliebte FrisurTitnskopf", welche mit dem gnadenreichen Sohne des Vespasian gar nichts Zn thun hat, sondern durch eine Toiletten­caprice der schönen Madame Tallien Mode geworden, hatte gleichfalls einen Umschwung erfahren: diesen jugendlichen Häuptern fielen die Vorderhaare nicht bis über die Augenbrauen, sondern umwallten Stirn und Schläfen, ohne beide zu verstecken.

Ariel und Genossen! Lustgeister! ja, scheinbar freilich! namentlich bei Kerzengeflimmer, dem Duste der Ananas und der Treibhausblnmen, und doch in Wirklichkeit sehr irdische Erdenkinder, Stanbgeborene, Libertiner!

Des süßen Gottes voll war vorzugsweise John Hobhouse (später Lord Vroughton), damals noch glatt von Angesicht, lebhaft, witzig, durch und durch Temperament und Lebenslust.

John Fitzgibbon, zweiter Gras Cläre, hübsch und verwegen wie ein Edelknabe Eduard des Dritten, saß auch nicht mehr gerade, sondern rittlings aus seinem Stuhle.

Scrope Berdmore Davies, derBruder Lustig" des Dekamerons von Newstead, gaumenbeizende Kressenblüte zum Nachtisch und warf mit Redensarten um sich, die ebenso prickelnd waren, wie der Blumen­salat, den er vertilgte.

Ihm gegenüber lehnteAdonis" faul und ver­drossen im geschnitzten Armsessel, ohne im mindesten auf die hinüber und herüber fliegenden Witzessunken Acht zu geben.

Vergebens wisperte Johnny Wingfield, der jüngere Bruder des Viscount Powerscourt, auf- mnnternde Scherzworte in die kleinen Lilienohren des Schmollenden und legte ihm Bonbons aus den Teller, Adonis war und blieb unliebenswürdig und beklagte sich, daß so viel Sporengeklirr in Sir Johnny's schlechten Witzen rassele und ihm dieß die Nerven angriffe.

Der angehende Gardeosfizier nahm den Vor­wurf mit größter Geduld und Artigkeit hin, wie ein Höfling die Launen eines verzogenen Jnfanten erträgt.

Den Nachbar linker Hand würdigte derNervöse" ebensowenig eines Blickes. Und doch war Jener ganz Lieblichkeit und Friede, schön wie ein Engel oder wie ein Schenke des Hafis; er hatte den Teint einer weißen Rose; langbewimperte Märchenaugen blickten zärtlich und bittend unter Weichen, träumerischen Lidern hervor, braungoldenes, seidiges Haar erhöhte den Lenchtglanz der minniglichen Erscheinung.

Durch welche Kombination war dieses Kind, dieser Frühlingshauch in den Orgiensaal von New­stead hineingerathen? einfach genug: eines Tages hatte der arme Chorknabe im Trinitykolleg Zu Cambridge gesungen, trotz heftiger Brustschmerzen,

da war ein vornehmer Jüngling, freundlich und gebietend wie ein Gott, an ihn herangetreten, hatte

ihm die Hand gedrückt, ihm unvergeßliche Worte ge­sagt und ihn sich gewonnen unverlierbar! denn Cornelis Edlestone hatte ein liebedurstiges, sensitives Mädchenherz, was in seiner Jünglingsbrust lauter Unfug anstiftete.

Statt ein schwindsüchtiger Wandervirtuose zu sein, war er nun der Minnesänger seines Beschützers, welcher zu ihm sagte:

Dich, kleiner Liebling, achte und liebe ich, die Anderen gefallen mir nur."

Von diesenAnderen" waren noch anwesend: Jackson, derfamose" Box- und Fechtmeister, das Faktotum Byron's und seiner Freunde; ein junger, bleicher Herzog von Dorset; Harrison, der verlorene und enterbte Sohn eines tyrannischen Vaters, jetzt Schauspieler am Drnrylanetheater; die Studenten Hat) und Nhod, mit denen Mylord gewettet hatte, nie Zn heirathen"; der chevalereske Marineoffizier Lord Falkland, welcher aus kurze Zeit seinen Gläu­bigern und seiner jungen Frau entschlüpft war, um sich den Kameraden zu gesellen.

Er sei Tafelkönig," hatte Mylord unter all­gemeiner Zustimmung proklamirt, indem er dem Freunde Charlie zutrank; seine schwelgerischen, üppig geschwungenen Lippen berührten ohne Scheu des Schädels Rand, diese Lippen, geformt um Nektar Zu schlürfen und eine Armide zu küssen!

Ihm den Kranz, den Bacchos auf seinen Trinmph- zügen trug!" fuhr George Byron in lligti sxirits fort, eine Ephenranke aus einem Tafelaufsätze nehmend und Mathews' Schläfen umwindendha, nur die Griechen wußten schön zu sein," setzte er mit wohl­gefälligem Blick auf den Bekränzten hinzu.

Die Anwesenden, mit Ausnahme des einen Miß­vergnügten, erhoben sich und stießen auf des Tafel­königs Gesundheit an. Klingklang!

Adonis ballte die schmalen Hände in ohnmächtiger Wnth unter den Spitzenmanschetten zusammen.

Der Champagner schäumte und floß über, Pfropfen knallten, die Spitzgläser leerten und füllten sich, kling­klang !

Man lachte, man tobte, man schrieHurrah!" Keiner vernahm das Schlangenzischeln des bartlosen Nosenmundes:

Fluch Jedwedem, der mir seine Neigung raubt!"

-Charlie hoch!"

Und abermals Fluch!"

Vivnt Natb6v8!"

Und zum dritten Male Fluch!"-

Aber kein Fest ohne Musik!" sagte Mylord. , ckorling, ein Trinklied!"

Ja, ein Brindisi," schallte es rings umher.

Schwinge den Taumelkelch," ries Hobhouse mit bedenklich heiserer Stimme und händigte dem schönen Troubadour" ein volles Glas ein,singe ein proven- yalisches Liebeslied!"

Nein, nein, das närrische Impromptu von gestern," wünschte der aufgeregte Chorus.

Schon saß Harrison am Klavier und gab mit brillantem Anschlag einige rapide Durakkorde an, welche dahin wirbelten und raseten wie klirrende Scherben im Winde. Edlestone's seines Gesicht war von heißer Rosenglnt übergossen, er schien im Nu