Kinder der Flamme von Günther von Freibcrg.
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größer und intonirte mit goldreiner Stimme folgendes leidenschaftlich bewegte Capriccio:
„Phantastische Düfte Berauschen das Hirn,
Exotische Lüfte Erhitzen die Stirn,
Die Sinne gesteigert,
Entfesselt das Blut,
In Zuckenden Fibern Bacchantische Glut —
So lach' ich der Treue...
Folletta, komm' her!
Das Flücht'ge, das Neue,
Es ist mein Begehr!"
Und Wie elektrisirt fuhren die Zuhörer von ihren Sitzen auf und fielen in den Endreim ein:
„Das Flücht'ge, das Neue,
Es ist mein Begehr!"
„Weiter, weiter, Du Prachtbengel," feuerte der musiktrunkene Dorset an.
„Siehst ans wie eine Zuckerpuppe," warf Davies hin, „aber in Dir wohnt ein Gott und ein Teufel!"
Aber Cornelis' aurikelbraune Augen blieben unbefangen — nur die Kunst hatte ihn momentan in einen jungen Faun verwandelt, — sein sentimentales Gemüth hatte nicht mitgesungen.
„Weiter, weiter!" riefen oder vielmehr brüllten Mylords Gäste.
„Ei, glänzende Folie,
Geflügeltes Ding,
Im Kelch der Magnolie Dich Wonne umfing,
In Düften versunken,
In Balsam getränkt —"
„'Well, , rvlmt's tim mattm?" fragte Lord Byron den plötzlich stockenden Sänger. Cornelis stand wie vom Blitze betäubt und starrte auf die Wand zwischen den bunten Glassenftern.
„Mein Gott, ihm ist nicht Wohl!" sorgte sein Beschützer, „er mag mit Anstrengung gesungen haben... xoor luä! Und wir haben ihn dazu ge- nöthigt wie die Kannibalen."
„O nein, Mylord," beruhigte der Jüngling mit holdseligem Lächeln, „ich bin bei Stimme und könnte singen bis morgen früh ... es ist nur... das Bild dort... Sie wissen..."
Und verlegen blickte er Zu Boden.
„Nun, (lüNing, was thut Dir das dumme Frauenbild d"
„Es scheint meine Lieder nicht gerne zu hören," versetzte Edlestone schüchtern.
„Freilich ist das bleiche Mädchen mit den stillen Augen nicht an seinem Platze dort, — ich weiß, dieser gemalte Nachtschatten langweilt meine sämmt- lichen verehrten Gäste — ich selbst hasse es, dieses blasse Opferlamm!"
Und höhnend zog der junge Schloßherr eine Schneeballblüte aus einer Vase, tauchte sie in Champagner und warf sie dem gemalten Mädchen in's Gesicht.
Daraus senkte er selbst den Blick wie beschämt.
Aergerlich fuhr er fort: „Mein alter Joe behauptet, das Gemälde sei nicht zu entfernen ohne das Holzgetäsel der Wand zu schädigen . .. aber wir können's ja verschleiern ... Fleischer, hole eine
Schürze der Küchenmädchen herauf und sage Nancy Marsden, einen grünen Flor anzuschaffen."
„Ei, beileibe nicht," protestirten Mathews, Cläre und Wingsield, „'s ist ein Meisterstück, ein ungewöhnliches."
„In der That," bestätigte Davies, „es rührt aus einer guten Schule her . . . vielleicht direkt von Vandyk."
„Oder," widersprach Falkland, „es ist ein Courtisanenbild von Peter Lely ... Solche Damen wissen sich oft die schönsten Nonnenmienen zu geben."
„Blasphemie," murmelte Harrisou, theilnehmend zu dem Mädcheukopfe aufschauend, „diese verkörperte Sinnviole war echt und nicht für Gold seil."
„Acceptiren wir sie als Madonna unseres Refektoriums," schlug Mathews vor. Im selben Athen: setzte er lauter hinzu: „Aber nun beschwört feierlich, in Betreff eurer ehrenwerthen Schädel Wort zu halten. Wer kein ausgemachter Schurke ist, schwört auf mein Schwert!"
„Rappiere herbei!" hieß es.
Und im Nu hielt jeder Anwesende ein Floret in der Hand; man bildete einen geschloffenen Kreis; die Spitzen der Waffen berührten sich gegenseitig; Archibald Harrison rief in meisterhaft nachgeahmtem Sheridantone: „Schwört auf sein Schwert!"
„Wir schwören," murmelten Byron's Gäste.
Nur Adonis hatte sich nicht vom Fleck gerührt, auch Niemand ihn zur Eidesleistung ausgefordert; mit todesdunklem Blick, verachtend und traurig, sah er dem Vorgang im Saale Zu, als wäre es tief unter seiner Würde, am Thun und Treiben der Kameraden theilzunehmen.
Saß ein Kronprätendent in dem goldverschnürten Sammetrock? . . .
Noch war die Tafel nicht ausgehoben; bald saß man wieder „über dem Wein", sprach von den irischen Zuständen, schimpfte auf die Liebe, tadelte den König, lobte den Prinzen von Wales und wälzte sich moralisch in Paradoxen, worin Einer den Andern zu überbieten trachtete.
„Weißt Du denn, George," zeterte Hobhouse zu Byron hinüber, „daß Dir im preisgekrönten Chef unseres modernen Parnaffus, in Southey, ein wirklicher Gegner entgegentritt?"
„Hochwillkommene Neuigkeit, Hobby, — viel Feind' viel Ehr'!"
„Denn er vergißt Dir's nicht, daß Du Pope's kokett srisirte Muse seiner riugellockigen vorziehst. Ja, er bezeichnet Dich als den künftigen Stifter einer satanischen Schule."
„Das läßt sich hören," erwiederte Mylord, ein leichtes Gähnen unterdrückend. „Nur begreife ich nicht, weßhalb jene Widersacher an den Seen von Westmoreland uns hartnäckig für Poeten halten."
„Daran sind Deine,Stunden der Muße' schuld."
„Cooä Zraeious!" sagte achselzuckend der Schloßherr.
„Und nicht weniger Deine Uebersetzungen lateinischer Episteln und Satiren," sagte Cläre zu Hobhouse.
„O, Satiren," flammte Byron auf, „die laß ich gelten! Wollust aller Wollüste, seine Feder in Gift