Kinder der Flamme von Günther von Freiberg.
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kleinen Wittib, welche es vorzog, Fächer und Dosen Zu bemalen und mit ihrer Schwester ein ganz zurückgezogenes Leben zu führen, statt Wohlthaten vom einstigen Gegner ihres Mannes anzunehmen. — Uebrigens hörte ich sagen, daß Helen in ihrer Ehe nicht so glücklich gewesen sei, als man es allgemein annahm; wenigstens nicht so, wie sie selbst als romantisches Mädchen geträumt haben mochte, als sie dem Erwählten in das goldene Fabelland Jndra's folgte.
„Das sehnsüchtige Verlangen des Schwagers wandelte sich in selbstlose, väterliche Theilnahme. Er glaubte die beste Lösung seines eigenen Geschicks gefunden zu haben, indem er seinen Neffen mit der Wittwe seines Bruders verlobte, um aus Curzon und Helen ein wohlgestelltes Pärchen zu machen und in ihnen die Stütze seines Alters zu finden — wiederum stieß er bei Helen ans Schwierigkeiten — jede Sucht nach Glanz und materiellem Wohlleben lag Helen fern, sie besaß vielmehr eine großartige Geringschätzung irdischer Güter, sie wollte sich ,des Reichthums Qualen' ersparen; außerdem fühlte sie sich nicht geneigt, einem Jüngling, der kaum so alt war wie sie selber, liebend zu gehorchen, ihm ihre Zukunft zu widmen, unterzuordnen, genug, ihre Bedenken währten sehr lange.
„Wollen die Menschen aus irgend welchen Gründen ein Pärchen zusammenbringen, so reden sie den Betreffenden ein, daß Einer sich für den Andern verzehre. Dem Jüngling wird gesagt: ,Sie vergeht vor Liebesgram,' dem Mädchen: ,Rette ihn vor dem Selbstmorde? Dieß macht immer Eindruck und eine Ehe kommt zu Stande; wird sie bald eine Hölle, so ist dieß den schlauen ,Vätern' sehr gleichgültig. Helen's Schwager, sonst der erklärteste Widersacher aller Mummerei, entsann sich ähnlicher Fälle, und es gelang ihm, seinen Neffen in den Augen der kleinen Wittib interessant zu machen. Die Schwester, Freundinnen, Berufene und Unberufene redeten so eifrig dem scheinbar feurigen, innerlich so phlegmatischen Curzon das Wort, daß es schließlich zur Verlobung kam, das heißt, Helen hatte eingewilligt, meinen Kameraden in Jahresfrist zn heirathen; unterdessen betrachtete sie sich für frei, gestattete ihm nur ab und zn kleine Ritterdienste, nicht die mindeste Zärtlichkeit. Curzon blieb Mitglied unseres Trinity- kolleg, wenigstens blieb er es dem Namen nach.
„Mit Fleiß hatte ich vermieden, so reizender Flamme zu nahe zu kommen. Der Zufall führte uns entschieden einige Male zusammen; nun gebot die Höflichkeit, daß ich den Schwestern — ihren Namen nenne ich selbst Dir nicht, Charlie! ineinen Besuch machte.
„Helen bewohnte kleine Räume, doch waren sie mit indischem Geräth und indischen Stoffen phantastisch ausgestattet. Ich war berauscht durch den Anblick! Da war eine Tischdecke aus perlfarbener Seide mit eingewirkten blauen Kaninchen, und auf einem Thürvorhang war ein lebensgroßer grüner Tiger mit goldenen Pranken gestickt. Nebenan lag ein Kabinetchen, welches mich vollends wirklich machte: Helen hatte die Wände eigenhändig mit Goldpapier überklebt und darauf in bouqnetartiger Gruppirung Pfauenfedern angebracht; auch die Spiegel
hatten Rahmen aus diesen Federn. Die gleichfalls goldene Decke war von einem blauseidenen Netz überspannt; auf dem Kaminsims erblickte ich Muscheln bizarrer Form, die in allen Farben schillerten und glitzerten!
„Ich war entzückt und gleichzeitig geängstigt, wie Aladin in der Juwelengrotte.
„Curzon bat mich nun fortwährend, ihn zn Helen zu begleiten, mein Widerstand wurde schwächer und schwächer, der fahrlässige Geselle ließ uns Stunden lang allein. Helen malte mich aus Elfenbein, die Schwester mustzirte.
„Bei schönem Wetter machten wir Landpartieen. Curzon schleuderte so nebenher; die Aussicht ans ein sorgenfreies Leben an der Seite des herrlichsten Geschöpfes war für ihn ohne jeden Reiz.
„Die Karten, des ,Teufels Bilderbuch', hatten's ihm angethan und entfernten ihn mehr und mehr aus besserer Gesellschaft.
„Nur zu rasch hatte sich süße Gewohnheit zu meiner wachsenden Neigung gesellt. Die Tage wurden kurz, die Abende lang, das heißt, mir verflogen sie wie flüchtige Sekunden, denn ich verlebte sie bei den holden Schwestern unter den Pfauenfedern und gestickten Fabelthieren.
„Je undurchdringlicher der Nebel wurde, um so früher eilte ich in das bunte Nestchen. Oft saß Helen noch über ihrer Arbeit; heiter grüßend schob sie dann die Farbennäpfchen beiseite und streckte mir beide Hände entgegen. Sie trug damals ein Hauskleid aus weißem Stoffe mit weißen Seidenstreisen durchwebt — nur die Morgenländer wissen einfach schöne Gewebe herzustellen! Wie langweilig ist dagegen Gros de Naples, selbst Atlaß und der ewig staubige, schwerfällige Sammet! Bis Zu den Ellenbogen sielen die weiten Aermel zurück und ließen die sein modellirten Arme frei, welche mit Perlen aus indischem Rosenholz und geschliffenem Bernstein umwunden waren; Alles so absichtslos und doch so wirkungsvoll! Mir pflegte Helen scherzend eine Tunika aus rothem Foulard umzuwerfen, und wir verbrannten duftende Pastillen und tranken Thee miteinander, oder ich braute einen ganz diabolischen Punsch, der die blonde Schwester aufkreischen, nicht selten entfliehen machte. An Helen dagegen entzückte mich die vornehme Organisation: Du weißt, Charlie, ich hasse Echauffement oder Transspiration! Helen war weder dem Einen noch dem Andern unterworfen; ihre feine Gesichtsfarbe veränderte sich nie, wenn sie mir zu Gefallen flüssige Glut schlürfte. Beide waren wir gefeit gegen die Kobolde des Champagners, der geistigen Getränke. Nur ans angeborener Mäßigkeit ließ sie mich nach dem ersten Glase im Stich, echt häuslich an einer zierlichen Handarbeit weiter webend oder stichelnd, welches mich in ehrerbietiger Ferne hielt.
„Eine Zeitlang war das Theater unser Lieblingsthema, wir sprachen stundenlang darüber.
„Nie vergesse ich den Abend, wo Helen plötzlich mitten im Zimmer stand, wunderbar anzuschauen wie Melpomene, und mit den Gesten und der Stimme der O'Neil Julia's Schlaftrnnkmonolog rezitirte; ihr Organ, jeder Modulation fähig, erregte mir nervöse