Heft 
(1885) 40
Seite
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Minder der Flamme von Günther von Freiberg.

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frisirt sind. Dann verwirrte ich Alles mit Fleiß und nannte sie ,Braut in Haaren' oder ,Jungfer im Grünen'.

Draußen tobte das Unwetter.

Helen schlug das Kreuz, saltete die Hände und murmelte, während sie nicht aufhörte über mich Zn lächeln, ein Stoßgebetlein. Ich beneidete Helen um die Elastizität ihrer Empfindungen, um die Grazie, mit der sie am Betpulte niederkniete, im nächsten Augenblick wieder emporschnellend und sich mit mir neckend. Ich hatte dergleichen nie erlebt, und alles Neue, alles Fremde entzückt mich.

,Es regnet, regnet, regnet,' sagte sie träumerisch.

,So viel Tropfen, so viel Küsse!' rief ich über­wallend, die brennenden Lippen auf ihre Hände, Arme, Schultern drückend; blumenhaft kühl war ihre Haut! Nicht lange währte es, so ruhte mein Mund auf ihrem Munde. Helen war willenlos, ja zitternd wie ein Mädchen, und dennoch strahlte ans den halbgeschlossenen Augen eine Glückseligkeit, als ihr kleiner, ovaler Kopf in den Nacken sank, daß ich an der leidenschaftlichen Erwiederung ihrer Liebe nicht mehr Zweifeln konnte; ihr Athem überströmte mich wie ein Dufthauch aus dem glücklichen Arabien!

Da tönten wunderliebliche Melodieen über uns: eine Etage höher wohnte Helen's Schwester; sie sang die LonZs von Robert Burus unvergleichlich schön zum Klavier!

.Grün sind die Auen,

Grün sind die Auen,

Die schönste Zeit, die je ich hatt',

Verlebt' ich mit den Frauen ..

So sang sie!"

Und Charles Mathews fiel sogleich ein:

Nur Sorge gibt cs, Noth und Qual,

Die Zukunst ist voll Grauen,

Die Erde war' ein Jammerthal Wohl ohne liebe Frauen.

Mein Bestes, schwur ernst Frau Natur,

Im Weibe mögt ihr's schauen:

Mit Lehrlingshand schuf ich den Mann,

Mit Meisterhand die Frauen."

Tief seufzend, feuchten Auges wiederholte Byron den Refrain:

Grün sind die Auen,

Grün sind die Auen,

Die schönste Zeit, die je ich hatt',

Verlebt' ich mit den Frauen."

Thörichtes Lied," fuhr er wild ans, mit der Faust aus den Tisch schlagend,kann ich's nicht denken oder hersagen, ohne daß mir die Augen übergehen?!"

Auch mich verfolgt dies; Gedichtchen oft tagelang, ohne daß ich's los werden kann," versicherte Charles innig bewegt;doch, wie endete jener Abend in Cambridge, By?"

Es war spät geworden," nahm der Lord seine Erzählung wieder auf,Helen sagte mir Zuletzt .Gute Nacht'. Der Sturm hatte sich draußen verzogen.

Trotzdem zögerte ich, zu gehen.

Helen,' sagte ich, auf der Schwelle zögernd, ,bist Du mir gut? Rund heraus!'

Sie antwortete nicht, sondern schaute mir vor­wurfsvoll in die Augen; darauf senkte sie den Kopf

und erwiederte kaum hörbar: ,Diese Frage schmerzt mich, sie fetzt mich tief herab.'

,Wie, Engel? Liebste Herrin?'

.Nun ja!' Thränen zitterten an ihren langen schwarzen Wimpern, .würde ich von Einen:, dem ich nicht über Alles gut bin, geduldet haben, daß er mich küßte, ja, mir nur eine Fingerspitze berührte?'

Nun war es an mir, den Blick zu senken. Kämpfend mit Verlegenheit und Leidenschaft bat ich sie um Vergebung. Aber die Hast, womit sie mich nach der Thüre drängte, erfüllte mich plötzlich mit Trotz und Bitterkeit. Ich begann dem holdseligen Geschöpfe Allerlei vorzusaseln, von einer bevorstehenden Abreise, von meiner Sehnsucht nach dem Süden. Ich weidete mich an ihrer Angst und steigerte dieselbe durch abscheuliche, unwürdige Flunkerei. .Ich muß in heiße Länder,' log ich, .die so heiß sind wie ich selber, heißer als Lavaflnt! Hier ist es zu kalt, zu grau, zu eintönig, selbst die Rosen sind zu blaß in der Heimat des Nebels!'

Entsetzt stand Helen, schon war ich im Vorzimmer.

.Apolliuo!' rief sie mir nach mit gedämpfter Stimme und schmiegte sich an mich im halbdunklen Raum und wisperte unsäglich liebevoll: .Bleib' hier!'

Mitternacht war vorüber.

Ich umschlang sie trunkenen Blickes, halb trium- phirend, halb aufgelöst in Wonnethränen, sie aber kicherte, entschlüpfte mir und rief: ,Ei, das wäre!'

Damit schob sie mich aus dem Zimmer und den Riegel vor die Thüre.

Apollino war ausgesperrt!

Ich war empört über diese Behandlung, diese demüthigende Situation aus dem Puppentheater, außer mir über ihre Koketterie! Nur noch eine Idee beherrschte mich und wüthete in mir: die Rache!

Nicht die kalte Nachtluft, nicht die einzelnen schweren Regentropfen, die mir in's Gesicht schlugen, vermochten mich abzukühlen; meine Gottheit war zur herzlosen Evastochter herabgesunken. Ich übertrieb mir ihr Benehmen, welches ja im Grunde nur un­vorsichtig und nicht perfide war.

,Das Nixenlachen soll mir gegenüber verstummen,' schwur ich mir.

Ach, als die Veilchen blühten und Ströme Thau- wassers den Cam schwellten, da hörte Niemand mehr das sorglose Gelächter der Sonnentochter; nur ein wehmüthig liebes Lächeln war dem schönen Gesicht geblieben.

Mir aber war Zorn und Groll vergangen, ein Himmelreich erschloß sich mir! Kein Mißton mehr, kein Kampf, kein Zweifel! Es lag ein Heroismus in Helen's Hingebung, der sie in meinen Augen mehr erhöhte und verklärte als jeder frühere Widerstand.

Nie plagte mich dieß theure, edle Weib mit Vorwürfen, Thränen, Gewissensbissen, nie hielt sie mir vor, was sie mir geopfert hatte; Blumen nur brachte sie mir, mochten sich Dornen in ihr eigenes, geängstigtes Herz senken! Helen, Segen Deinem Angedenken!

Charles, nxf llearv, es geschieht selten, daß wir eben erwachenden Jünglinge mit einer Heliade in ein naturgemäßes Verhältniß gerathen; meist fallen wir in die Netze älterer, raffinirter Frauen, denen wir