1010
Deutsche Nom an-Bibliothek.
blöden Auge vorwärts blickend in ihren langweiligen Gang zurückzufallen.
Man führte die Traubenmaische durch den Hof in das Preßhaus, das hinter der Scheune lag. Die walachischen Knechte in ihren Sandalen, breiten Hüten, Gürteln und langen Haaren schrieen ihre Thiere doppelt heftig an, als sie in den Hof einfuhren — der Herr sollte ihren Eifer loben.
Jetzt brachte ein Stallknecht einen Rappen von ausgezeichneter Schönheit heraus. Die Augen glänzten, jede Ader sah man an feinem edlen Halse, und die Nüstern öffneten sich dunkelroth.
Fast zu gleicher Zeit erschien die Tochter des Hanfes auf der Veranda; sie trug ein schwarzes Amazonenkleid und einen kleinen ungarischen Hut, den sie ganz einfach aufgesetzt hatte, ohne sich die Augen zn verdecken. Um den Hals trug sie ein hochrothes Band und auf dem Hute eine rothe Feder.
Ihr Erscheinen brachte das ganze Jägervolk in Bewegung.
„Endlich!" sagte eine Männerstimme vom Pferde herab.
Jda, so hieß die Tochter des Freiherrn von Marosfalvp, lachte laut auf, schlug mit der Reitgerte einen Windhund, der ihr im Wege stand, daß er heulte, stieg auf das Knie des Reitknechts, der sich hiezu niedergelassen hatte, schwang sich schnell in den Sattel, und ehe sich die Gesellschaft in Bewegung setzen konnte, war sie znm Thor hinaus, ihr nach stürmten die besten und jüngsten der Reiter.
Der Staub wirbelte auf, und alle Dorfhunde bellten und rannten nach; man sah bald nichts, als eine dicke, schwere Wolke von trockenem Lehmstanbe.
Zweites Kapitel.
Landleben.
Es war ungefähr zehn Uhr Vormittags, als die Jagdgesellschaft das Haus verließ. Die Damen, welche zurückgeblieben waren, sahen den dahinstürmcn- den Reitern eine Weile nach, verließen dann die Veranda, um von einem erhöhten Punkte des Gartens ans die Ebene Zu überschauen, in welcher „gehetzt" werden sollte; aber die Sonne stand ihnen gerade gegenüber und blendete so sehr, daß man den Versuch bald aufgab, den Verlauf der Jagd zn verfolgen.
Eine nach der Andern verlor sich, und bald saßen Alle in ihren Zimmern, die kurze Zeit der Ruhe genießend, welche durch die Abwesenheit der Herren in die Weinleseseste gekommen war.
Unter den Gästen befand sich auch Frau Jlka von Taroczi, eine damals gefeierte Schönheit. Damals! Es fällt diese Geschichte noch in das Jahr 1847, in die Zeit der demokratischen Bestrebungen und aristokratischer Geltung, in die seodale Zeit, wo Besitz die Menschen in Klassen gliederte und wo die Aristokratie als Vertreterin der modernen Ideen von Gleichheit auftrat und die Bewegung vorbereitete, die sie vernichten sollte.
Jlka saß in ihrem Zimmer aus den Divan hingestreckt, nachlässig und unruhig zn gleicher Zeit. Sie hatte ihren Kopf aus die schöne weiße Hand gestützt, über welche eine Fülle von schwarzen Locken
herabfiel, die ihr blasses, etwas mageres Gesicht fast verdeckten. Sie bemühte sich vergebens, ihre Haare znrückznstreisen, immer fielen sie wieder nach vorwärts; als ob sie dieses Spiel langweile, stand sie plötzlich auf und setzte sich znm Klavier, einem älteren Instrumente, das in ihren: Zimmer stand, obwohl sie hörte, daß man nicht weit von ihrem Gemacht entfernt aus einem sehr guten Flügel Csardas spielet. Vielleicht hatte sie auch dieser Csardas beirrt. Sie griff in die Tasten, aber sie spielte sehr stümperhaft und fand die Akkorde nicht zusammen. Es war ganz wirres Zeug, das da zu Tage kam. Jlka von Taroczi war gar nicht musikalisch, ihr fehlte vorerst das Ohr und dann fehlte ihr die Technik. Warum spielte sie jetzt, jetzt in fremdem Hanse?
Zwei oder drei Gemächer von ihr war Karoline Baronin von Szenta einquartiert, eine Verwandte des Marosfalvy'schen Hauses und Weinlesegast wie Frau von Taroczi selbst. Karoline spielte Csardas. Lange Zeit hatte Herr von Taroczi in seiner Wahl geschwankt zwischen Jlka und Karoline. Als Mädchen waren sie gute Freundinnen gewesen, hatten oft über Taroczi gesprochen, ihn gewissermaßen höhnend ob der Unentschlossenheit, mit der er pendelartig bald zur Einen, bald Zur Andern neigte; die Mädchen versicherten sich gegenseitig, daß sie nicht das geringste Interesse für ihn fühlten.
Taroczi war ein schöner Mann, ein Normal- nngar, schwarz, schlank, fein von Händen und Füßen, elegant und — wohlhabend. Seine Nase war römisch gebogen, der Blick seiner Augen schwärmerisch, fast sentimental. Er mußte den Frauen gefallen, obwohl ihm, dem Szekler, eine gewisse Ungeschliffenheit anhastete, die er zu verschleiern suchte, die aber doch durchschlug, so oft Leidenschaft in's Spiel kam, und das geschah oft.
Er lebte in der Regel ans dem Lande, tief in einem Seitenthale, das sich in jenes der Knkel öffnet. Sein Vater war schon lange todt, und seit Jahren war er sein eigener Herr. Taroczi war ein guter Wirth, sah überall selbst nach, kam monatelang nicht aus dem Hanse, machte keinen Aufwand und kaufte vom Erträgnisse noch Güter ein. Regelmäßig zweimal im Jahre ließ er jedoch seine vier Pferde anspannen und ging ans Ferien, alle Sorgen um Haus und Hof seinem Biro überlassend, einem alten, getreuen Diener des Taroczi'schen Hauses, der einen gewichsten Schnurrbart trug und nie ohne Fokos zu sehen war.
Dieser Hofrichter Namens Szabo Gyuri besaß ein bildhübsches Töchterlein, bei welchem Herr von Taroczi seine Abende zubrachte, wenn er daheim war. Ihr Name war Eszter, was schon andeutet, daß sie der protestantischen Kirche angehörte, welche auch jene der Familie Taroczi war. Der alte Szabo Gyuri, ein echter Puritaner wie fast alle Calviner seines Standes, ließ den Verkehr seines Herrn mit Eszter gewähren, nicht nur weil Taroczi sein Herr war und weil die jungen Leute seit frühester Jugend Spielgenossen gewesen, sondern weil er wußte, daß er sich auf Eszter verlassen könne und weil er auch ans seinen Herrn baute und auf den gemeinsamen Glauben.