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Deutsche Noman-Bibliothek.
„Woher wissen Sie das?" fragte Jlka erregt. „Konvenienz, Moral, Glück, Existenz, haben Sie auch nur je darüber nachgedacht?"
Jlka hatte das mit einer gewissen Verachtung gesagt, die Fern beleidigte.
„Das ist etwas zu viel, meine gnädige Frau," sagte er. „Sie sprechen mir das Denken ab" — in der That aber hatte Gras Feri nicht viel darüber nachgedacht. — „Warum soll ich über Existenz, Moral und dergleichen nicht nachgedacht haben?" fuhr er fort. „Nachgedacht so gut als irgend Einer oder Eine, aber wenn ich darüber nicht rede, so kommt das daher, weil man im Westen diese Dinge bereits abgethan hat, Dinge, über die man bei euch noch grübelt. Sein kurzes Leben genießen ist denn doch die höchste Existenzphilosophie und, wie ich glaube, auch Aufgabe; und Moral, das ist die Rüstung aller Menschen gegen Angriffe. Will Jemand seine Rüstung tragen, so ist das seine Sache, und läßt sich Jemand die Rüstung abnehmen, so thut er's freiwillig."
„Lassen Sie mich mit diesen Wortspielereien," antwortete Jlka; „Sie verstehen nichts vom Leben, gar nichts, das sage ich Ihnen."
„Nun, so lehren Sie mich, gnädige Frau, was ich nicht verstehe," sagte Feri, „und wenn es nicht Karoline und Eszter ist, wer ist es dann?"
„Nichts als Neugierde," sagte Jlka piquirt. Sie schwieg.
Auch Gras Feri schwieg.
Der Csardas im Nebenzimmer war verstummt; man hörte eine Thür Zuschlägen und die walachischen Bauern riesen ihr „Hl>o, HLo!" die Wagenräder knarrten, die Hähne krähten — sonst war das Hans mäuschenstille.
Viertes Kapitel.
Hetzjagd.
Die Jagd hatte ihren Verlauf genommen. Fecske, eine Hündin Taroczi's, war Siegerin geblieben, ihr Herr Sieger. Man hatte siebenzehn Hasen gehetzt, wovon Fecske allein fünfzehn gefangen, und Taroczi's Pferd hatte sich als der beste Renner bewährt. Der Rappe Jda's, obwohl an Schönheit alle anderen übertreffend, stand weit hinter Taroczi's Rozsika zurück. Taroczi war Zwar stets bemüht, Jda den Vorrang zu lassen, aber nur zweimal gelang es ihm, dem Rappen den Vorsprung zu sichern, und auch da hatte er zu Mitteln Zuflucht nehmen müssen, welche die übrigen Jäger höchlichst mißbilligten. Wahrhaft unverschämt hatte Taroczi den Reitern den Weg abgeschnitten und einen von ihnen, den Neffen des Hauses, sogar niedergeritten, um Jda vorzulassen; aber Niemand erhob Klagen als Jda selbst, die offenbar der Meinung war, daß ihr Pferd den anderen überlegen sein müsse.
Um drei Uhr Nachmittags hatte man geschlossen, die Beute wurde auf einen Bauernwagen geladen, und die Gesellschaft ritt heim. Die Wege waren schmal, man mußte zwischen Rainen durch, so daß höchstens zwei Personen neben einander reiten konnten. Der alte Baron Marosfalvy ritt an der Spitze, nach ihm kam Jda, deren Pferd weiß vor Schweiß war, und dann folgten die Reiter und Knechte in be
liebiger Ordnung. Taroczr war abgestiegen, hatte seine Fecske geliebkost, ihr Zucker und Backwerk gereicht, die er in der Tasche führte, sie dann seinem Diener übergeben, welcher zu Fuß ging und, dem Thiere schmeichelnd, die Fütterung mit Kukuruzbrod fortsetzte, das Fecske mit ebenso großer Begierde verzehrte, als früher die verzuckerten Schnitten.
Taroczi gab dann seinem Pferde die Sporen und ritt quer durch die Stoppelfelder auf Jda zu.
Vater Marosfalvy ritt entweder schneller, oder Jda hatte den Schritt ihres Thieres gemäßigt, kurz, der Zwischenraum Zwischen ihm und ihr war größer geworden; nun hielt sie ihr Pferd zurück und Taroczi erreichte sie.
Jda hatte einen schiefen Blick. Man bemerkte es gewöhnlich nicht; wenn sie aber erregt war, so schielte sie.
Taroczi drehte den Kopf zu ihr, aber er konnte nicht mit Bestimmtheit wissen, ob Jda ihn an sah.
„Dein Rappe geht prächtig," sagte er zu Jda.
„Laß mich," antwortete sie; „ich hasse Dich."
„Wie kindisch!" sagte Taroczi.
„Du hast mich heute schmählich behandelt," sagte sie trotzig; „ich hasse Dich, Deinen Hund und Dein Pferd."
„Ich schenke Dir beide, ich habe nichts Besseres als Rozsika und Fecske," sagte er.
Sie lachte hoch ans. „Ich brauche und will Deine Geschenke nicht!" rief sie ihm zu, die Reitgerte schwenkend.
Einige Reiter nahten sich.
„Ich hasse Dich doch," schloß sie, ihr Pferd in Trab setzend.
„Und ich liebe Dich," sagte er kurz, sein Pferd herumwerfend, bald aber es wieder wendend und langsam zu ihr hinreitend.
Jda schaute jetzt rechts. Nach etlichen Sekunden wendete sie sich links, und als sie Taroczi erblickte, hieb sie mit der Reitgerte so gewaltig auf die Croupe ihres Rappen, daß das Thier Lan^aden machte, wie sie ein ungarischer Gardist am Fronleichnamstage nicht besser hätte machen können, fügte einen zweiten Schlag hinzu und im Nu war sie an der Seite ihres Vaters.
Taroczi's Pferd wollte dem Rappen nach, er hatte große Noth, es zurückzuhalten und in gemäßigten Schritt zu bringen. Langsam ritt man durch die Fluren in's Dorf hinauf dem Herrenhause zu.
Die Frauen hatten sich im Empfangszimmer gesammelt, traten ans die Veranda hinaus. Nahe am Kapn (Hausthor) setzte Jda ihr Pferd wieder in Galopp, ihr nach alle Reiter in demselben Tempo; sie war die Erste daheim, wie die Erste weg, sprang aus dem Sattel, ließ dem Pferde die Freiheit, das der Knecht kaum einzufangen im Stande war, grüßte die Frauen mit der Reitpeitsche, ohne ein Wort zu sagen, und verschwand in ihrem Zimmer.
Man läutete zum Mittagessen.
Fünftes Kapitel.
Der O u e r k o p f.
Man läutete zum zweiten — znm dritten Male. Jda erschien nicht.