Lösliche Bande von B. Aba.
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Baron Marosfalvy führte seine Gesellschaft in den großen Speisesaal. Diener reichten starken Branntwein in kleinen Gläsern; während dessen kamen die Jäger in den Saal; auch Taroczi hatte sich umge- kleidet und bereits einige Gläser gebrannten Wassers getrunken, als er seine Frau mit Graf Feri bemerkte; er grüßte mit der Hand, fragte laut, woher Feri käme, erhielt die Antwort: „Aus Paris", ging dann zu Karoline, der er den Arm bot und die er zur Tafel führte. Man setzte sich. Ob absichtlich, ob zufällig, der Sitz links von Taroczi blieb leer — Jda war noch nicht da.
Es waren an die vierzig Gäste zu Tische. Feodale Gastfreundschaft! Weinlese. — Wochenlange währte das Fest; die Gäste lösten sich ab, die stattlich gefüllten Vorrathskammern wurden gelichtet. Fette Speisen und starke Weine gab es in Hülle und Fülle.
Man war bereits beim dritten Gange angelangt, als Jda kam. Graf Feri stand auf, hob sein Glas und grüßte das Fräulein vom Hause.
Gras Feri's langer Toast siel hölzern genug aus; er war wirklich nicht mehr Magyar genug, und die Anhäufung von Worten der Schmeichelei machte bei ihm einen fast komisch-grotesken Eindruck. Er selbst konnte das Lachen kaum halten, als er mit „blljou n bätor voääsMö!" („Es lebe die kühne Jägerin!") schloß.
Jda, die während des Toastes stehen geblieben, setzte sich jetzt nieder, hob daun ihr leeres Glas halb in die Höhe, machte eine Kopfbeweguug gegen Graf Feri zu und sagte: „Es lebe der Hohn!" („LIM n guiM") — Daun drehte sie sich zu Taroczi und wiederholte: „Es lebe der Hohn!" Sie sagte das aber ganz leise und fing zu essen an.
Ungarische Mahle dauern selbst dann ziemlich lange, wenn sie den Charakter von Gelagen nicht au- nehmen. Auch das Diner Marossalvy's dauerte lange, denn was Küche und Keller, was Feld und Garten, was Meier- und Hühnerhof boten — es wurde in altuugarischer Gastfreundschaft dargebracht, daß sich die Tafel bog.
Die Frauen hatten längst den Tisch verlassen, die Herren saßen noch beim Becher und rauchten aus langen Pfeifen heimischen Tabak, dessen Qualm die Kerzenlichter verfinsterte, welche man bereits in den großen Speisesaal gebracht hatte.
Karoline spielte wieder ihren Csardas, die anderen Frauen saßen in ihrem Zimmer um sie herum, Jda stand vor dem großen Ofen, der schon etwas geheizt war; man wußte nicht genau, wohin sie sah, denn ihr Blick war wieder schief.
In der Mitte des Zimmers standen andere Frauen, in fröhlicher Stimmung plaudernd, als Gras Feri hereintrat, sich umsah, und als er Jda erblickt hatte, die Cigarre in das offene Speisezimmer zurückwarf und sich vor sie hinstellte.
„Ich habe Dir etwas mitgebracht aus Paris," sagte er, „darf ich es Dir geben?"
Wie aus einem Traum erwacht, zuckte Jda Zusammen, schloß einen Moment die Augen, vielleicht, um den Sehwinkel wieder zu richten, sah dann Feri an und fragte ihn, was er wolle.
Graf Feri hatte die Hand in die Brusttasche
gesteckt, wie um etwas herauszuziehen, als Jda schnell sagte: „Nein, nein, Du darfst mir nichts geben, von Dir nehme ich nichts, Du hast für uns Land- bewohuerinnen nichts als Spott, nichts als Verachtung — ich aber bin mir viel zu gut für Deine Weltanschauung."
„Immer noch nervöse? Seit vorigem Jahre nicht ruhiger geworden?" fragte er in gezogenem Tone.
„Ich habe gar keine Nerven, blöde Dinge das — aber für Dich, das weißt Du, bin ich doch zu gut," sagte sie und schien Antwort zu erwarten — aber sie besann sich anders, noch bevor er etwas erwiedern konnte, und fuhr fort: „Doch ja, etwas kannst Du mich lehren, lehre mich Karten spielen."
„Ja, recht gerne, stelle eine Partie zusammen; willst Du Whist spielen?"
„Nein, Makao," sagte sie, aber sie änderte ihre Absicht gleich wieder und sagte „Whist".
Sie rief einen Diener, ließ im Nebenzimmer den Tisch richten, holte Frau von Taroczi und Karoline und setzte sich selbst zum Tische; Gras Feri gab Karten und bald spielten sie ganz ernsthaft, während im Nebenzimmer getanzt, im großen Saale gezecht wurde.
Feri hatte Vieles am Spiele seiner Genossinnen auszusetzen, indeß zeigte es sich, daß sie alle Drei nicht so übel spielten, wenn sie auch von Jmpaffe und Jnvite nicht gar zu klaren Gebrauch machten und namentlich die Atout über alle Gebühr schonten und sparten. Taroczi hatte sich hinter seine Frau gestellt, als diese Jda's Partnerin war, und Letzterer mit etwas verglasten Augen in das schöne Antlitz geschaut, während Graf Feri's Luchsgesicht die Karten seiner Gegnerinnen gewiß so gut gesehen hatte als diese selbst. Nur Jda gab sich Mühe, ihn nicht hineinschauen zu lassen, vergaß aber von Zeit zu Zeit ihre Sorgfalt und lachte, wenn ihr Gras Feri einfach sagte: „So gebe doch die Treffdame zu!"
„Pfui — so in die Karten zu gucken!" sagte Jlka, worauf Feri antwortete: „Es ist keine Sünde, in die Karten zu sehen, sondern sich hineinsehen Zu lassen."
„Spielermoral!" bemerkte Jda.
„Heute ist diese Spielermoral bereits zur herrschenden des ganzen Lebens geworden," antwortete Graf Feri, „Du weißt es nur noch nicht, aber Du wirst es auch noch lernen."
„Ich in fremde Karten sehen lernen!" ries Jda entrüstet und Zeigte gute Lust, ihr Spiel wegzu- werseu. „Nie, nie!"
„Nun, dann wird man Dir hineinschauen," sagte ganz ruhig Gras Feri, „jetzt spiele aber endlich das Atout-Aß aus, das Du schon dreimal berührt hast, ohne Dich entschließen zu können."
„Schändlich!" sagte Jda, mußte aber doch lachen, und Alle lachten mit, nur Taroczi nicht, er lehrte um, ging in's Speisezimmer zurück und sing wieder an zu trinken und zu rauchen.
Lange hielten die drei Damen am Spieltische nicht aus. Jda gab nach dem dritten Robber das Zeichen zum Ende; Feri machte die Rechnung, und als er fertig war, legte er seinen Verlust auf den