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Deutsche Noman-Sibliothek.
Tisch, ging in's Zimmer, wo getanzt wurde, und setzte sich zu Karolinen.
Fräulein Karoline Szenta, eine hochgewachsene blonde Dame mit blauen Augen, war eine der vier Töchter, welche Baron Szenta die seinen nannte.
Der Vater hatte gedient, war in Wien bei der Kammer gewesen, dann Gubernialrath geworden und saß jetzt pensionirt auf seinem Gute. Fast alle Siebenbürger Frauen machen Furore, wo sie immer erscheinen. Alle vier Töchter hatten in Wien große Anerkennung gefunden; alle groß, schlank, alle mit dem bestechenden Comtessenschliff, alle stachen in den Kreisen hervor, in denen sie sich bewegten.
Die Halbaristokratie und die Beamtenwelt, damals noch strenger abgeschlossen als jetzt, waren ihr Boden. Höher hinauf kamen sie selten, tiefer hinunter noch seltener. Ersteres gestattete der Hochmuts» der Anderen, letzteres ihr eigener nicht.
Unter diesen Umständen ist es begreiflich, daß die vier nicht reichen Mädchen, wie gefeiert sie auch waren, doch lange brauchten, bis sie zur Heirath kamen. Die Aelteste nahm einen ziemlich alten Husarenrittmeister, der sie, nachdem er ausgiebig gelebt hatte, nach Hause führte, dort in sehr kleinen Verhältnissen zur häuslichen Arbeit zwang, aber nach und nach gewöhnte sich die Frau auch an dieses Leben.
Die Zweite und Dritte machten ähnliche Partieen; die Eine hatte einen Güterverwalter genommen, ließ sich Baronin nennen und war Zufrieden in ihrer Selbsttäuschung; die Dritte war an einen Sekretär verheirathet und sollizitirte um Stipendien für ihre vier Söhne, die sie auch richtig erreichte; nur die Jüngste, Karoline, hatte noch keinen Mann.
Wie gesagt, hatte ihr Taroczi den Hof gemacht und Gras Feri besonders auf einer Redoute stark Zugesetzt, so daß sie fast geglaubt hatte, sie sei geborgen — aber Taroczi nahm Jlka und Feri bisher keine Frau. Das war noch das Schönste an ihm, denn Feri hatte Karolinen geküßt, als er sie vom Maskenballe heimbegleitet, hinter dem Rücken der damals noch lebenden Mutter.
Frauen legen großes Gewicht auf den Kuß und hielten in jenen Zeiten dafür, daß er das Band sestknüpfe, das von ihm ausgeht. Aber Graf Feri war weggereist, und als er wiederkehrte, hatte er sie nicht mehr geküßt.
Seither und besonders seit der Vater in Pension stand, hatte sie Zwar manches Verhältniß gehabt, aber zur Heirath war's nicht gekommen. Hochmuth, sagte man, vielleicht aber war Kleinmuth die eigentliche Ursache!
Wer sie näher kannte, was wohl bei Freiern und Courmachern selten der Fall ist, gab zu, daß sie ein ernsthaftes Wesen sei, mehr gelernt habe als viele ihresgleichen, die Wirtschaft verstehe, gesundes Urtheil habe, schön sei und auch gut — aber alle diese guten Eigenschaften geben einen etwas nüchternen Anstrich, ein überlegenes Aussehen; bei Frauen liebt mau Charakter nicht sonderlich, und Liebenswürdigkeit ist eher alles Andere als Charakterfestigkeit — indeß hätte Karoline Geld gehabt, wie sie und ihre Familie es nicht hatten, so wäre ihr Kleinmuth vielleicht besiegt worden; so blieb sie ledig.
Karoline erröthete, als Feri sich ohne Umstände zu ihr setzte. Feri hatte wirklich total vergessen, was zwischen ihnen vorgesallen war; bei ihm machte derlei nicht Epoche, schnitt der Kuß nicht in's Leben ein, knüpfte kein Band.
„Ich will morgen nach Klausenburg und bei Ihrem Vater Station machen; werde ich ihn zu Hause finden?"
„Ja wohl, er wird sich sehr freuen, Sie zu sehen, auch ist er ganz allein."
„Bleiben Sie noch länger hier oder darf ich Ihnen meinen Wagen für morgen anbieten?" fragte er weiter.
Karoline sah ihn verwundert an, und jetzt mochte sich Feri des Vorfalls erinnern, denn er fügte bei:
„Ich reite sehr früh zu Joska, Ihrem Nachbar, und komme von dort nach Boldogsalva, wohin ich meinen Wagen schicke, Sie können daher über ihn verfügen."
„Ich weiß noch nicht, ob ich wegkomme." antwortete Karoline, ihr Taschentuch ballend, „aber ich wünsche, nach Hause zu kommen uud nehme vielleicht Ihren Antrag an."
„Schön," sagte er, „um wie viel Uhr wollen Sie den Wagen?"
„Um acht Uhr, bitte ich Sie."
„Auf Wiedersehen!" sagte Feri, sich erhebend und Karolinen die Hand gebend.
Sie blieb sitzen; er ging zu Jda, die an der Thüre des Speisezimmers lehnte und den Toast anhörte, den ein Gast des Hauses auf den „Egylet" ausbrachte, indem er den vaterländischen Wein rühmte, der pures Gold sei und den Ungar jung erhalte für alle Zeiten.
Als Graf Feri bei Jda ankam, sah er hinter der Thür Taroczi stehen, der eifrig zu Jda sprach.
Feri zog sich etwas zurück, postirte sich hinter Jda und sagte leise: „Laß Dir nicht in die Karten sehen."
Jda kehrte sich auf dem linken Absätze um, maß Feri mit einem Blicke, dessen Energie durch den verengten Sehwinkel zum Ausdrucke kau», kehrte sich wieder um, gab Taroczi den Arm und ging auf die andere Seite des rauchgefüllten Saales.
Es war Mitternacht geworden. Noch ein Dutzend Toaste folgten, noch tanzte man Csardas, als der alte Hausherr zum Ende mahnte.
Die Herren suchten ihre Kleider uud Hüte, im Hofe hörte mau Stimmen der Kutscher, Schellen der Pferde, das Gesinde räumte die Tische ab; die nicht bei Marosfalvy wohnten, fuhren fort, die hier blieben, suchten ihre Zimmer; bald verlöschten die Lichter.
Der alte Hofhund stieß noch sein heiseres Gebell aus, als Gras Feri sein Pferd bestieg und die schiefe Straße hinabritt, die zur Maros führte; der Mond ging eben auf; Feri zündete seine Cigarre an und ritt langsam den: Strom entlang zu Joska.
Sechstes Kapitel.
Das Unterpfand der Liebe.
Eszter hatte das Kind gepflegt, das Haus in Ordnung gehalten. Schon waren Taroczis mehr