Heft 
(1885) 44
Seite
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Lösliche Sande von S. Aba.

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als eine Woche abwesend, als endlich der Wagen von ferne erschien. Eszter hatte diesen Wagen sehn­süchtig erwartet. Plötzlich war ihr die Verantwortung lästig geworden, sie wußte selbst nicht warum. An­fangs schien es ihr ganz hübsch, diese mütterliche Aufgabe erhalten zu haben. Sie gab das Kind nur aus der Hand, um es der Amme an die Brust Zu legen, ja selbst die ersten Nächte brachte sie im Herrenhause zu; aber nach etlichen Tagen überfiel sie eine unerklärliche Angst; das Kind fchieu ihr krank; die Kindsfrau und Amme lachten, als Eszter sie fragte, was dem Kinde fehle.Nichts, gar nichts," war die Antwort, und die Amme zeigte Eszter, mit welcher Gier das Kind die Milch nahm. Aber Eszter rührte die kleine Jlka nicht mehr an, so scheute sie sich. Während sie nach der Abreise der Taroczis ihr Hauswesen ganz vernachlässigt hatte, wendete sie sich demselben nun wieder Zu, und sie war es, welche vom Hofe aus den vierspännigen Wagen Zuerst hatte über den Hügel herüber fahren sehen. Nun lief sie in aller Eile in's Herrenhaus und kündigte die An­kunft der Herrenleute au. Alles rannte durcheinander; der Koch hatte bei sich eine Tarockpartie arrangirt, raffte die Karten zusammen und schüttelte den Zigenuer- juugen beim Schopfe, der vergessen hatte, das Herd­feuer zu unterhalten, was doch seine einzige Ver­pflichtung war; das Stubenmädchen saß im Zimmer des Szämtarto und hörte zu spät, daß die Herr­schaft käme; im Zimmer der Frau war's eiskalt Niemand hatte die Rückkehr erwartet. Eszter donnerte tüchtig in die Leute hinein, legte aber selbst Hand an Jlka, band ihr ein breites blaues Band um den kleinen Wickelleib und setzte ihr eine blaue Haube auf, legte sie in die Hände der Kindssrau, und nachdem sie der Amme die Weisung gegeben, aufzuräumen, lies sie in ihr Haus Zurück.

Langsam näherte sich das Viergespann, auffallend langsam, denn Herr von Taroczi pflegte überaus schnell zu reisen. Eszter stellte sich an ihr Fenster und guckte hinaus, der Wagen mußte da vorüber. Wieder hatte sie den rechten Ellenbogen auf die linke Hand gestützt und spielte mit den Fingern au der Unterlippe.

Der Wagen kam. Aber er war ganz geschlossen, sie konnte nichts sehen. Links ab lenkte der Kutscher Zum Herrenhause und fuhr in den Hof. Eszter stand noch eine Weile am Fenster, dann machte sie sich im Hause zu thun.

Frau von Taroczi war allein zurückgekehrt. Eine düstere Wolke lag auf ihrer Stirn. Sie ging in ihr Zimmer, wo das Mädchen neben dem Ofen kniete und Feuer aublies.

Jlka ließ ihren Mantel mitten im Zimmer fallen, warf den Hut auf das Bett und ihm nach die Hand­schuhe.

Was machst Du da?" fragte sie das Mädchen, das schon ganz roth im Gesichte war, so sehr strengte es sich an.

Wir wußten ja nicht, daß gnädige Frau so bald Zurückkommen würden," sagte es schüchtern.

Geh' hinaus, ich brauche kein Feuer!"

Das Mädchen blies noch etliche Male und ging dann eiugeschüchtert fort.

Im Kindszimmer wartete man auf die Mutter; aber sie kam nicht. Stunde aus Stunde verging; die Mutter kam nicht zu ihrer Tochter. Es wurde Abend, Frau von Taroczi hatte nicht geläutet, nichts zu essen verlangt. Niemand hatte sie zu sehen be­kommen.

Eszter, von der Lage der Dinge unterrichtet, ging spät Abends iu's Herrenhaus, sah nach dem Kinde und befahl dem Stubenmädchen, zur Frau zu gehen und sie zu fragen, ob sie krank sei oder etwas brauche.

Zögernd klopfte das Mädchen an Jlka's Thür aber keine Antwort; sie trat ein; Frau von Taroczi faß in ihrem Fauteuil, gekleidet so, wie sie augekommen war.

Was willst Du?" fragte sie.

Frau Eszter schickt mich und läßt fragen, was die gnädige Frau befehlen."

Wie viel Uhr ist es?"

Bald sieben Uhr."

Gut, ich brauche nichts, richte das Bett, ich werde mich bald niederlegeu."

Sind gnädige Frau krank?"

Nein."

Das Mädchen ging wieder, erzählte Eszter, daß die Frau schlechter Laune sei, ging dann in's Schlaf­zimmer, das Bett zu machen, wie ihr befohlen war.

Gegen Mitternacht wurde Eszter geweckt, die Amme stand vor dem Bette, hielt ihr ein Licht vor die Augen und schrie mehr als sie sprach:

Unser Kind ist krank!"

Eszter erhob sich, warf schnell die nöthigsten Kleider über, ging in den Hof, rief den Knecht, der den Kopf durch die Stallthür steckte.

Sattle den Bätor und reite nach dem Doktor!"

Ich werde lieber einspannen und ihn bringen."

Auch gut."

Eszter ging mit der Amme fort.

Die Kindsfrau trug das Kind auf dem Arme, in Kissen eingeschlagen. Das Kind athmete schwer, das Gesicht war dunkelroth, die Haut trocken.

Was fehlt der Armen?" fragte Eszter.

Ich glaube, das Kind hat die Bräune," ent- gegnete die Kindsfrau,was nur machen?"

Niemand wußte, was thun. Sauerteig, Senf­teig, warme Pauschen, Kamillenthee Alles wurde angewendet, die Mutter war gekommen hülflos wie alle Anderen zusammen.

Der Doktor, wo ist er?" fragte sie.

Das wird wohl noch eine Stunde dauern," meinte Eszter.

Die beängstigenden Symptome nahmen zu; die Krankheit im Steigen, so plötzlich, so schrecklich schnell, und der Vater nicht zu Hause!

Es vergingen fast zwei Stunden, als man den Wagen rollen hörte.

Endlich!

Der Doktor kam, das heißt der Chirurg aus der nächsten Stadt.

Er brachte alle Mittel mit, die man brauchen konnte; selbst Vrechpulver hatte er bei sich; aber sie thaten keine Wirkung: nach weiteren drei Stunden war die kleine Jlka todt.