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Deutsche Noman-Sibliothek.
die Bürde auf dem Halse behalte. Es kam ihm gewissermaßen gelegen, als Fritzi ihn zu sich bitten ließ. Sie leitete das Gespräch damit ein, daß Louise ihr gekündigt habe. Es sei dieß das dreizehnte Mädchen, das ihren Dienst aufgebe; mit Ausnahme von vieren, die sie verlassen hätten, nachdem sie sie bestohlen, seien alle weggegangen, weil sie dieses Leben nicht ertrugen; auch Louise trete nur aus, weil sie dieses Einsiedlerleben nicht weitersühren wolle, und ihr selbst ginge es nicht besser, auch sie habe es satt, wie ein Kakadu gehalten und gefüttert Zu werden, noch dazu schlecht!
Joska hatte sie ruhig angehört. Sie saß ans ihrem geblümten Sopha, den rechten Fuß unterschlagen, und hatte während der langen Rede ihr Schnupftuch vorbereitend herausgezogen.
Joska stand vor ihr, die hohen Achseln noch höher hinausgezogen, den Kopf noch mehr zwischen die Schultern gesenkt — er sah aus wie ein Mara- bout; sein Mund verzog sich zum Lachen, aber seine Augen blieben ernst, stechend und seine Hände staken in den Hosentaschen.
„Willst Du thun wie Louise?" fragte er skeptisch.
Ein Strom von Thränen folgte.
„Da hört Alles ans," sagte Joska, „mit Dir läßt sich nichts Vernünftiges reden. Nichts in dieser Welt währt ewig und jedes Verhältnis; ist Sache des Uebereinkommens; konvenirt es Dir besser, anderswo zu leben, so sage es, ich werde thun, was ich kann — ich halte nicht Louisen, nicht Dich."
Nun war der Bruch fertig. Die ersten Tage weinte Fritzi fast unausgesetzt, aber Louise verstand es, sie zu beruhigen, und nach und nach gewöhnte sie sich an den Gedanken, Joska auszugeben, ja, sie begann sich zu freuen, daß ihre Gefangenschaft endlich aufhören würde. Louise wurde Unterhändlerin, und geschickt, wie Frauen aller Klassen sind, erwirkte sie fünftausend Gulden Abfertigung, die auch mit Mendel's Beistand baar ausbezahlt wurden.
Ein förmlicher Abschied kam nicht Zu Stande, obwohl ihn Fritzi geplant hatte — Joska war abwesend — Fritzi reiste fort und etliche Tage daraus verließ auch Herr von Kereszti sein Gut, um eine Besitzung in Ungarn anzusehen, die ihm zum Kaufe angetragen worden war.
Der Wagen, in dem Fritzi abreiste, war nicht allzu bequem. Ein Leiterwagen, ganz hübsch gemacht und lackirt, aber doch endlich ein Leiterwagen, gedeckt mit einem runden Leinwanddache, das allerdings gute Wehr gegen Wind und Regen bot, dafür aber die Aussicht absperrte. Es blieb nichts übrig, als diesen Wagen Zu wählen, da Koffer und Schachteln aller Art untergebracht werden mußten. Fritzi mit Louisen saß auf dem Hintersitze, aus dem vordem der Kutscher und neben ihm stand der Käfig mit den Vögeln. Jeder andere Raum war mit Reisesäcken, Lederkoffern und Pappschachteln ausgesüllt.
Fritzi fand die Bemerkung Louisens sehr gegründet, die meinte, daß man ihnen zwei Wagen hätte mitgeben sollen, und da sie thatsächlich wenig Platz hatte, so blieb sie geraume Zeit in entrüsteter Stimmung.
Im ersten Nachtquartier zu Klausenburg wurde
sie etwas milder, und als sie von da mit dem Stellwagen weitersahren mußte, beschlich sie, wo nicht Reue, doch entschiedener Kleinmuth.
Die viertägige Reise nach Pest gab ihr noch mehr Zeit zum Nachdenken. Elende Gasthäuser, in denen man die beiden Frauen ziemlich despektirlich behandelte, rohe Kutscher, die thaten, als seien sie die Herren, schlechte Pferde, die nicht vom Flecke kamen, der federlose Wagen, welcher die Reisenden hin und her rüttelte — kurz, sie war mit sich im Neiuen, als sie in Pest anlangte, daß sie eigentlich eine große Dummheit begangen habe, als sie ihr Asyl verließ, in welchem ihr nichts fehlte als die Freiheit, während sie jetzt die Freiheit hatte, aber sonst nichts. Dazu war sie des Gassenlärmes entwöhnt, konnte die erste Nacht kein Auge schließen, da sich der Pöbel schreiend durch die Gassen wälzte und das Gejohle kein Ende hatte.
Der nächstfolgende Tag blieb ihr stets im Gedächtnisse. Ihre Glieder waren zerschlagen, sie fühlte sich wie gerädert; die Frage, was denn eigentlich zu thun sei, brachte ihr Beklemmungen, und ihr Mädchen, eine geborene Pesterin, hatte sich ausgebeten, ihre Verwandten besuchen zu dürfen. Ohne Frage hatte Fritzi Fieber; sie legte sich auch zu Bette — aber dort wurde ihr erst recht schlecht. Eine wahre Angst ergriff sie; ihr Gehirn hatte keinen Platz für die sich jagenden Gedanken, dazu war der Spektakel fast noch größer als während der verflossenen Nacht. Sie stand am nächsten Morgen wieder auf, ging aus, aber sie bekam Furcht vor den wilden Menschen, die die Straßen bevölkerten, und kehrte in's Gasthaus zurück, vollständig erschöpft. So verfloß auch dieser Tag. Es war acht Uhr geworden, Louise aber noch nicht daheim. Nun dachte sie bald au Keresztsalva, bald an Louisen. Es verging Stunde um Stunde, Louise erschien immer noch nicht. Sie läutete; das Stubenmädchen des Hotels kam, und um Louisen gefragt, erzählte es, daß diese ihre Sachen habe sort- tragen lassen. Die Angst wuchs; es folgte eine schlaflose Nacht und Tags daraus mußte sie uach dem Arzt schicken, der ihr Medizinen gab und befahl, im Bette zu bleiben.
Vier Tage verflossen aus diese Weise, Louise hatte sich nicht blicken lassen.
Als Fritzi wieder aufstand — ihre gesunde Natur hatte gesiegt — entschloß sie sich, abzureisen, vorerst nach Wien.
Sie wollte den Doktor bezahlen, aber vergebens suchte sie ihre Handtasche, sie war verschwunden.
Lange dauerte es, bis sie den Gedanken fassen konnte, daß Louise die Tasche mit sich genommen habe; für ein Muster von Treue hatte Fritzi das Mädchen gehalten, und nun diese entsetzliche Wendung!
Zum Glücke hatte sie nur etliche hundert Gulden in diese Tasche gesteckt, während sie die größere Summe in einem Beutelchen um den Hals trug; das Geld wollte sie verschmerzen, aber daß dieses liebe, attachirte Wesen an ihr so handeln konnte, das brach ihr das Herz.
Schon war sie entschlossen, an Joska Zu schreiben, ihn zu bitten, er solle sie wieder ausnehmen! Die zärtlichsten, demüthigendsten Worte hatte sie sich aus-