Lösliche Bande von B. Ada.
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gedacht, Papier und Feder bringen lassen — aber als sie ansing zu schreiben, fand sie keinen Satz, kaum die Worte, um ihre Gedanken auszudrücken. Ihre Absicht scheiterte vollständig an der Ungewohntheit, die Feder zu führen, und nachdem sie fremde Hülfe in Anspruch Zu nehmen sich nicht hatte entschließen können, gab sie die Absicht vollständig auf.
Sie reiste nach Wien, nachdem sie ihre Vögel verschenkt hatte. Dort angelangt, fehlte einer der Koffer. Die Eisenbahnverwaltung vertröstete sie damit, daß er wahrscheinlich verschickt sei; man sei einem Koffer ans der Spur, der nach Prag ging und dorthin nicht gehörte. Man versprach ihr baldige Auskunft.
Zehn Tage vergingen mit Warten. Wien war arg demoralisirt worden und das Volksheldenthum mißachtete die höhere Demimonde gleich den Aristokraten und Fiakern — dort war keines Bleibens.
Am elften Tage zahlte man Fritzi zweiundzwanzig Gulden als Versicherungsbeitrag für den nicht Zu findenden Koffer, der Wäsche enthielt und wenigstens das Zehnfache Werth war. Der Oberkellner des Hotels erklärte ihr, daß dagegen nichts Zn machen sei; sie weinte wie gewöhnlich und fuhr nach Baden- Baden. Dort athmete sie auf und fand, obgleich es ziemlich leer war, einen Freund, der sie aufheiterte. Aber auch mit ihm hatte sie Unglück; er verschwand nach zwei Monaten und hinterließ ihr Wechselschulden für mehrere hundert Gulden, die sie natürlich nicht zahlte, die ihr aber bittere Stunden Lei Gericht eintrngen.
Ihr Geld war gewaltig Zusammengeschmolzen. Sie beschloß, in Erinnerung an alte Zeiten, das Glück am Roulettetische zu versuchen. Es ging nicht so übel; sie gewann. Mehrere Wochen lang hatte sie Glück, und eines Abends saß sie im besten Staate, den sie hatte, am grünen Tische, als sich das Glück wandte und sie ihre ganze mitgebrachte Baarschaft verlor.
So wie sie einst gethan, ganz unwillkürlich, drehte sie sich um und sagte dem Herrn, der hinter ihr stand: „Leihen Sie mir zwei Louis." Der Herr, der hinter ihr gestanden war, legte ihr zwei Napo- leonsd'or hin. Sie setzte dieselben auf rouge; uoir gewann; Fritzi war wieder blank.
Hinter ihr lachte man.
Sie drehte sich um und sah sich erst jetzt den Herrn an, der ihr so bereitwillig das Geld zur Verfügung gestellt hatte.
Es war Graf Fern.
Er bot ihr den Arm und führte sie hinaus ans dem Saale.
Bald hatte sie ihre Geschichte erzählt, die Feri großen Spaß machte. Er begleitete sie in ihre Wohnung und blieb lange bei ihr.
Von nun an spielte Fritzi nie mehr selbstständig, sondern pointirte nur auf Feri's Sätze, der die Bank zweimal sprengte und sie dann nach Homburg mitnahm, wo Beide wieder gewannen und endlich zusammen nach Paris abreisten. Dort nahm ihr Graf Feri eine hübsche Wohnung, reiste jedoch im Frühjahr des folgenden Jahres ab und überließ fie ihrem Geschicke.
Vierzehntes Kapitel.
Olli ck u r a, v i n e 6.
Herr von Kereszti athmete frei auf, als Fritzi das Haus verlassen hatte. Es kam ihm vor, als sei er neu geboren. Nie, sagte er zu sich, soll man solche Verhältnisse knüpfen, und die Ungeschicklichkeit, ein derartiges Geschöpf Zu sich in's Haus zu nehmen, sei schon gar zu groß, er habe sie ehrlich gebüßt; wenn er daran denke, daß er einige Male schon im Begriffe gewesen sei, Fritzi zu heirathen, bloß weil ihm der weinerliche Ton ihrer Rede unerträglich geworden war, so stieg ihm das Blut in den Kopf und er bekam Schwindel — gar nicht mehr denken wolle er an fie und, die Hände reibend, gestand er sich, daß er wohlfeilen Kaufes durchgekommen.
Einige Tage jagte er, dann beschäftigten ihn die Papiere, welche den Kauf eines ungarischen Gutes betrafen, endlich reiste er dahin ab. Aber die Wirren waren gekommen, der Werth der Güter war plötzlich unmeßbar geworden, und wie unsicher auch das baare Geld, zumal das Papiergeld geworden war, so konnte er sich doch zum Kauf einer Realität, die morgen vielleicht schon verwüstet, noch weniger entschließen.
Nach zwei recht unangenehmen Wochen kehrte er zurück. Auch daheim wurden, wie bekannt, die Dinge unheimlich, und ihm schien das Einsiedlerleben unbehaglich, ja nicht ohne Bedenken.
Aber er hielt aus, man ließ den Sonderling aus dem Spiele und begnügte sich mit Geld und Vorspannsleistung. Der taube Hofrichter bot aber zu wenig Resourcen und die Jagd hatte aus vielen Gründen ihr Ende.
Er schickte Zn Szentas um Bücher, da er selbst keine hatte. Auch dort besaß man nicht viele, sendete sie jedoch. Kereszti hatte sie meist schon gelesen; er las sie nochmals: Kissaludy und Oetvös und die letzten Hefte einer deutschen Modezeitung, in welcher Novellen und Tagesneuigkeiten standen. Bei alledem begann Herr von Kereszti sich zu langweilen; einmal überraschte er sich bei der Thatsache, daß er in Fritzi's Haus zum Essen gehen wollte. Die Haushälterin war ihm erstaunt nachgegangen und hatte ihn von der Thür aus angerufen, daß dort nicht gedeckt sei.
Nun ärgerte er sich doppelt, mußte sich aber eingestehen, daß er sich allein fühle. Er dachte an Fritzi und sie erschien ihm in anderem, in besserem Lichte als früher. Er hatte ein Daguerreotyp von ihr, das wohl schon tüchtig verblaßt und auch sonst unvollkommen ausgenommen war, er suchte es aber doch hervor, besah es mit der Lupe und fand, daß Fritzi eigentlich eine sehr hübsche Person gewesen sei, die bei all' ihrem Klagen denn doch das Haus belebt habe.
Gewaltsam mußte er sich der Gedankenreihe ent- schlagen, die jetzt folgte.
Eben war wieder ein Trupp walachischen Landsturms vorübergezogen — ein wilder, zuchtloser Hause. Die Nachrichten mehrten sich von Unbilden, die Gutsbesitzern angethan, von Missethaten, die an ihnen verübt worden waren. Die Nachbarn hatten sich schon geflüchtet und Einer oder der Andere ihm gerathen,