Heft 
(1885) 51
Seite
1201
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Wöchentlich Eine Nummer. Preis vierteljährlich 2 Mark.

M 51.

Alle Tage Ein Heft. Preis 35 Pfennig pro Heft.

ielk des Gebens.

Roman

von

ilhelm Borger.

(Fortsetzung.)

Neuntes Kapitel.

Mahnung aus dem Grabe.

Mäulern Holder lasse bitten, sie zu entschuldigen. Sie sei ausge­gangen, um Besuche, um Be­sorgungen zu machen, die durch ihre eilige Abreise nothwendig geworden seien. Vor Nacht werde sie schwerlich nach Hause kommen; Herr Ueberweg möge aus sie nicht warten.

So bestellte Mamsell Doris. Sie hätte gerne noch etwas gesagt, was ihr nicht aufgetragen worden war, etwas aus sich selbst über Klara's plötzlichen Abgang aus dem alten Hause, worüber die treue Person sich in großer Aufregung befand; aber das finstere Gesicht des Herrn verschloß ihr den Mund.

Arthur hätte gar keine Zeit gehabt, auszugehen, wenn er auch gekonnt hätte; die Beantwortung der von New-Pork eingelaufenen Briefe duldete schlechter­dings keinen Aufschub, da gerade mit der Abendpost ein Dampfer in England zu erreichen war und sich erst in drei Tagen wieder Postgelegenheit bot. Den­noch verwünschte Arthur seine Gefangenschaft; zwei­mal, dreimal warf er die Feder hin und machte ver­suchsweise einen Gang durch das Zimmer. Nicht ganz unmöglich schien es ihm, daß plötzlich ein Wunder an ihm geschehe und der freie Gebrauch seiner Glieder ihm Zurückgegeben werde. In tiefer Stille lag das Haus; verlassen kam er sich vor und grollte mit

Deutsche Noman-BibUothek. XII. 26.

Klara, die ihre eigenen Wege hatte gehen können, sich um ihn nicht kümmernd, den sie doch am näch­sten Tage für immer verließ.

Hermann Klaus hatte die gewünschten Papiere gesandt. Als Arthur seine Briefe geschrieben und zur Post befördert hatte, blätterte er darin. Es waren Notizen der verschiedensten Art, dem Lesenden meist unverständlich; alte Bilanzen, alte Privatbriefe. Ein Testament fand sich nicht vor, auch keine Auf­zeichnung etwaiger Wünsche, die Konstantin Ueberweg über die Verwendung seines Vermögens nach seinem Tode gehabt haben mochte. Er hatte Alles dem Sohne überlassen. Zuletzt nahm Arthur ein großes blaues Heft auf, mit starkem Bindfaden am Rücken durchnäht, an den Rändern Spuren häufigen Ge­brauchs aufweisend. Das Buch war bisher von ihm zurückgeschoben worden, weil er nach dem Aussehen desselben annahm, es enthalte die fortlaufende Rech­nung über die Kosten der Haushaltung von langen Jahren her. Doch als er es jetzt aufschlug, fiel sein Auge aus eng beschriebene Seiten. So kannte er die Handschrift seines Vaters: groß, fest, deutlich, sämmtliche Schriftzeichen auf das Genaueste aus­gebildet. Das Papier, wie es von keiner Bütte mehr geliefert wird, zäh, lederartig, mit rauher Oberfläche, zackigen Kanten. Arthur schlug die letzten Seiten auf. Wie hatten die Schriftzüge sich verändert! Wie waren sie Zusammengeschrumpft und nachlässig ge­worden! Die Zeilen, im Anfänge des Buchs so gerade, als ob der Bogen linirt sei, liefen von links nach rechts in die Höhe. Häufig hatte die Feder

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