Heft 
(1984) 37
Seite
388
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schau (1891) referiert hatte, ist nunmehr der vollständige Text jenes Briefes und damit vor allem auch deskleinen Tadelsvotums zugänglich geworden, das er an Bölsche erteilt hatte. Beide Stellungnahmen verraten freilich vor allem, wie sehr sich der Dichter von seinem Rezensenten prin­zipiell verstanden fühlte; diese Empfindung steht wohl auch hinter der besonderen Eile, mit der Fontane eine ihmhöchst erquickliche Be­sprechung vonUnwiederbringlich in derKölnischen Zeitung vom 6. 1. 1891 Bölsche zuschrieb und ihm dankte. Vor diesem etwas deutlicher gewordenen Hintergrund der persönlichen Beziehungen gewinnt Bölsches Aufsatz von 1898, von Reuter zu Recht alseine der vorausschauendsten und vorurteilslosesten Studien über Fontane bezeichnet, die das aus­gehende 19. Jahrhundert noch hervorgebracht habe 3 , einen reizvollen zusätzlichen Aspekt; sein Wiederabdruck beschließt deshalb diese Doku­mentation.

I

Fontane und Karl Bölsche

Die beiden überlieferten Briefe Fontanes an Karl Bölsche' 1 werfen Fragen auf, deren Beantwortung wohl erst im Zusammenhang mit einer umfassen­den Untersuchung seiner Beziehungen zurKölnischen Zeitung möglich würde, in der Bölsche Redakteur des Feuilletons war. Erstaunlicherweise nämlich hat weder Fontane in seinen Briefen an Wilhelm Bölsche noch jener in seinen betont persönlich angelegtenAphorismen auf die Tat­sache dieser älteren Beziehungen Bezug genommen. Es muß zunächst dahingestellt bleiben, ob dies auf eine einfache Gedächtnislücke Fontanes zurückzuführen ist: Immerhin lagen zwischen seinem Briefwechsel mit dem Vater und mit dem Sohn, der freilich schon wegen des nicht über­lieferten Gutachtens überLinda unvollständig ist, etwa 17 Jahre. Wahr­scheinlicher ist aber eine bewußte Verdrängung der Vergangenheit, für die auf beiden Seiten Gründe vermutet werden könnten. Die Beziehungen Fontanes zurKölnischen Zeitung waren überschattet gewesen von seinem problematischen Verhältnis zu deren langjährigem Chefredakteur Heinrich Kruse (18151902), der seit 1868 auch als Dramatiker hervortrat und das Rezensieren offensichtlich als ein Geschäft auf Gegenseitigkeit auffaßte, worauf sich Fontane, wie er noch in einem Brief an Kruse vom 19. 3. 1883 zu erkennen gab, weder einlassen konnte noch wollte. 5 Die Konsequenzen dieser Situation läßt bereits Fontanes Brief vom 24. 9. 1872 an seinen Ver­leger Hertz erkennen, in dem er dieKölnische Zeitung zu den Blättern rechnet, die zwar wichtig seien, zu denen er aber keine Beziehungen unter­halte. Und er fügt hinzu:Ich kenne Kruse, möchte aber keine Zeilen an ihn richten, um so weniger, als sein .Wullenweber 1 im Anrücken ist. 0 Der unkonventionelle Ton der beiden Briefe Fontanes an Karl Bölsche deutet jedoch darauf hin, wie sehr er um ein gutes Verhältnis zu dieser einflußreichen Zeitung bemüht blieb, selbst wenn der Kontakt auch in diesem Fall mit kritischen Gegendiensten verknüpft war. Weitere Briefe konnten bisher nicht ermittelt werden: die engeren Beziehungen zu Bölsche rissen jedenfalls nicht ab, wie die Briefe Fontanes an seinen Verleger Wil-