schau“ (1891) referiert hatte, ist nunmehr der vollständige Text jenes Briefes und damit vor allem auch des „kleinen Tadelsvotums“ zugänglich geworden, das er an Bölsche erteilt hatte. Beide Stellungnahmen verraten freilich vor allem, wie sehr sich der Dichter von seinem Rezensenten prinzipiell verstanden fühlte; diese Empfindung steht wohl auch hinter der besonderen Eile, mit der Fontane eine ihm „höchst erquickliche“ Besprechung von „Unwiederbringlich“ in der „Kölnischen Zeitung“ vom 6. 1. 1891 Bölsche zuschrieb und ihm dankte. Vor diesem etwas deutlicher gewordenen Hintergrund der persönlichen Beziehungen gewinnt Bölsches Aufsatz von 1898, von Reuter zu Recht als „eine der vorausschauendsten und vorurteilslosesten Studien“ über Fontane bezeichnet, die das ausgehende 19. Jahrhundert noch hervorgebracht habe 3 , einen reizvollen zusätzlichen Aspekt; sein Wiederabdruck beschließt deshalb diese Dokumentation.
I
Fontane und Karl Bölsche
Die beiden überlieferten Briefe Fontanes an Karl Bölsche' 1 werfen Fragen auf, deren Beantwortung wohl erst im Zusammenhang mit einer umfassenden Untersuchung seiner Beziehungen zur „Kölnischen Zeitung“ möglich würde, in der Bölsche Redakteur des Feuilletons war. Erstaunlicherweise nämlich hat weder Fontane in seinen Briefen an Wilhelm Bölsche noch jener in seinen betont persönlich angelegten „Aphorismen“ auf die Tatsache dieser älteren Beziehungen Bezug genommen. Es muß zunächst dahingestellt bleiben, ob dies auf eine einfache Gedächtnislücke Fontanes zurückzuführen ist: Immerhin lagen zwischen seinem Briefwechsel mit dem Vater und mit dem Sohn, der freilich schon wegen des nicht überlieferten Gutachtens über „Linda“ unvollständig ist, etwa 17 Jahre. Wahrscheinlicher ist aber eine bewußte Verdrängung der Vergangenheit, für die auf beiden Seiten Gründe vermutet werden könnten. Die Beziehungen Fontanes zur „Kölnischen Zeitung“ waren überschattet gewesen von seinem problematischen Verhältnis zu deren langjährigem Chefredakteur Heinrich Kruse (1815—1902), der seit 1868 auch als Dramatiker hervortrat und das Rezensieren offensichtlich als ein Geschäft auf Gegenseitigkeit auffaßte, worauf sich Fontane, wie er noch in einem Brief an Kruse vom 19. 3. 1883 zu erkennen gab, weder einlassen konnte noch wollte. 5 Die Konsequenzen dieser Situation läßt bereits Fontanes Brief vom 24. 9. 1872 an seinen Verleger Hertz erkennen, in dem er die „Kölnische Zeitung“ zu den Blättern rechnet, die zwar wichtig seien, zu denen er aber keine Beziehungen unterhalte. Und er fügt hinzu: „Ich kenne Kruse, möchte aber keine Zeilen an ihn richten, um so weniger, als sein .Wullenweber 1 im Anrücken ist.“ 0 Der unkonventionelle Ton der beiden Briefe Fontanes an Karl Bölsche deutet jedoch darauf hin, wie sehr er um ein gutes Verhältnis zu dieser einflußreichen Zeitung bemüht blieb, selbst wenn der Kontakt auch in diesem Fall mit kritischen Gegendiensten verknüpft war. Weitere Briefe konnten bisher nicht ermittelt werden: die engeren Beziehungen zu Bölsche rissen jedenfalls nicht ab, wie die Briefe Fontanes an seinen Verleger Wil-