Heft 
(1984) 37
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schreiben, die Stoffe in epischer Gestalt vorzuführen, das Wesen der Dinge zum Bewußtsein zu bringen, kurz, die Ereignisse zu beleben und poetisch zu wirken, ohne den Vorgängen eine falsche Schminke zu geben. Im Gegenteil, sein Urteil ist nüchtern, seine Kritik unbefangen, die Benutzung der Quellen umfassend und einsichtig. Fontane ist sich der Aufgabe voll­kommen klar, daß, wer Zeitereignisse erzählt, nicht durch pomphafte Phrasen oder durch hitzige Parteinahme wirken darf, sondern vor allem sJch der edlen Besonnenheit und des Maßhailens zu befleißigen hat. In seinem Urteile über das französische Heer wie' über die Franzosen ist er durchweg bescheiden und vorsichtiger, als es bei der Mehrzahl seiner Vor­läufer der Fall war. Der zweite Halbband wird die Belagerung von Metz und die Katastrophe von Sedan, und der zweite Band den Krieg gegen die Republik bringen; jener ist unter der Presse, dieser soll im Laufe des Jahres 1874 ausgegeben werden.

Theodor Fontane an Karl Bölsche

Berlin, 19. April 1873 Potsd. Straße 134.C.

Hochzuverehrender Herr.

Von einem kleinen Ausfluge in die Mark heimkehrend, finde ichLinda und Ihren Brief. Besten Dank. Bei flüchtigstem Einblick habe ich doch bereits wahrgenommen, daß es sich äußerlich wie innerlich leicht liest. Ein wahrer Segen; nichts schlimmer bei Lesung einer Dichtung als eine unklare Handschrift, die einen freien Zug gar nicht aufkommen läßt. Ende des Monats haben Sie meine Antwort und in ihr meine unmaßgeblichen Bemerkungen. Ich sehe dann Ihren weitren Weisungen hinsichtlich des M. S. entgegen. Hochzuverehrender Herr, Ihr aufrichtig ergebenster

Th. Fontane.

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Arbeiten Wilhelm Bölsches zur Lyrik Fontanes

Im Umkreis von Fontanes 70. Geburtstag schrieb Wilhelm Bölsche zwei kritische Aufsätze zu Fontanes Lyrik. In einer SammelrezensiorvNeue Dichtungen für RodenbergsDeutsche Rundschau (Januarheft 1890) widmete er der dritten vermehrten Auflage derGedichte Fontanes (1899) einen zentralen Absatz, der sich mit der vorangestellten Besprechung derFünf Schlösser (1889) durch Otto Brahm, die mit dem Hinweis auf Fontanes Geburtstag einsetzt, zu einer Würdigung des Jubilars verband. AusdrücklichZu des Dichters 70. Geburtstag lautet der Untertitel des AufsatzesTheodor Fontane als Lyriker, den Bölsche in der Zeitschrift Die Gegenwart (Band 37. Nr. 1 vom 4. 1. 1890) veröffentlichte. Da Fon­tanes Dankesbrief die Formelviel Freundliches spricht dafür sich ohne Zweifel auf beide Arbeiten Bölsches bezieht, wird neben den Fontane gewidmeten Partien aus der Rezension in derDeutschen Rundschau, auf die jener sich ausdrücklich bezieht, auch die umfangreichere Studie aus derGegenwart wiedergegeben.

Neue Dichtungen.

Gedichte von Theodor Fontane. Dritte vermehrte Auflage Berlin W Hertz (Bessersche Buchhandlung). 1889.

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