Heft 
(1984) 37
Seite
392
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vielmehr im gemüthlichen Rausch natürlich geistig genommen ansieht, aus dem Innern schöpft, er ist in Folge dessen optimistischer, aber auch mehr Romantiker; Pfau ist echter Spätromantiker und Achtundvierziger, dessen Ideenkreis im Wesentlichen der des Heineschen Romancero geblie­ben; Heinrich Hart endlich der Vertreter des jungen Treibens, das keine Lokalfarbe trägt und die ganze Welt als Heimath fassen will. Das sind aber nur die allgemeinen Conturen, und das Bild bliebe sehr ungenügend, wenn man nicht die feineren Schattirungen hineintrüge.

Ein weiter Weg durch diesen starken Band Fontanescher Lyrik! Und doch, wenn man von den englischen Balladen absieht, die vielleicht besser ein eigenes Buch für sich bildeten, ein gleicher Klang in Allem. Es ist die Zeit von dem großen Kriegsjahrzehnt bis zum Tode des ersten Kaisers. Alles, die ersten schmetternden Siegesklänge, das Waffenblitzen, das un­geheure Licht, das auf einmal über Jahrhunderte zurückflammt, Preußens Geschichte groß maicht, dann die Friedenszeit, das Anwachsen Berlins, das neue Licht, das die Großstadt, die Kaiserstadt plötzlich hinausstrahlt in die bescheidene Marklandschaft, die nun selbst plötzlich hell, plötzlich interessant und der Dichtung würdig wird, zuletzt auch etwas von den Irrungen und Wirrungen, der Resignation und Unruhe derruhigen Zeit, wo der Poet nicht immer so ganz begeistert durch die Stadt wandelt, wo er wohl noch mitempfindet, aber im Großen und Ganzen doch als sein Bekenntniß ausspricht (Seite 53):wir lassen es Andere machen. 11 Die Geschichte aller dieser Jahre ist bei Fontane im Grunde genommen besser zu lesen als in dem objectivsten und gelehrtesten Geschichtswerke. Es ist weniger der Sachverhalt, als der Duft mit gerettet, den die Stimmung über Alles, über die Wahrheit wie über die Illusion warf. Des Dichters bedurfte es, um uns das zu erhalten, und Fontane ist fast der einzige, der es uns erhalten hat. Dann dieEntdeckung des landschaftlichen Reizes der Ber­liner Umgegend! Auch das ist schon eigentlich etwas Historisches, das irgendwo conservirt werden mußte, mit dem ganzen Zauber, den die ersten Pfadfinder fühlten, die mit der Idee derKaiserstadt im Kopfe hinauszogen und halb verschämt, halb begeistert es der skeptischen Welt zuriefen: Ja, diese Sandstadt hat eine schöne Umgegend, der Glanz der neuen Krone fällt auf ein schönes Land! Die dritte Stufe, das Resignations­motiv, das doch liebenswürdig bleibt, tritt gerade im ersten, jüngsten Theile des Buches am deutlichsten hervor. Und hier sind keineswegs die mattesten Perlen. Ein paar Jahre nur: und eine heißere, wildere Generation wird auch um dieser Klänge Willen das Fontanesche Liederbuch suchen wie ein köstliches, unschätzbares Document. Wohl: die Form ist herrlich, aber das können Andere auch, fast zu viel heute. Andere haben auch mehr Gluth, mehr Persönliches. Aber dieses absolut realistische Spiegeln einer ganzen Epoche nach ihrem Stimmungsgehalt, das macht Fontane keiner nach, in diesem Sinne ist er in der That einer der größtenRealisten, die wir je besessen haben, sein Buch ist ich finde noch einmal nur das eine Wort nicht bloß ein BandGedichte, es ist einDokument. (...)

Theodor Fontane als Lyriker.

Zu des Dichters 70. Geburtstag.

Von Wilhelm Bölsche.

Ich weiß nicht, ob man in späteren Zeiten sich noch so eifrig und eilfertig wie heute bemühen wird, das Antlitz tüchtiger Männer in Erz oder Marmor an der Stelle ihres Wirkens zu verewigen vielleicht wird man ihr Erbe mehr im Geist als durch ein todtes Denkmal antreten. Wenn aber der