Heft 
(1984) 37
Seite
395
Einzelbild herunterladen

ist eben jene Resignationsstimmung, die dem großen Waffenrauschen folgte. Kürzer und doch treuer ist das, was so viele der Aelteren ähnlich emp­fanden, nicht auszudrücken, als es in der folgenden Antwort auf die Frage, was ihm in dieser Welt überhaupt noch gefällt, geschieht:

Jedes Frühjahr das erste Thiergartengrün,

Oder wenn in Werder die Kirschen blühn,

Zu Pfingsten Kalmus und Birkenreiser,

Der alte Moltke, der alte Kaiser,

Und dann zu Pferd, eine Stunde später Mit dem gelben Streifen derHalberstädter;

Kuckuksrufen, im Walde ein Reh,

Ein Spaziergang durch die Lästerallee,

Paraden, der Schapersche Goethekopf Und ein Backfisch mit einem Mozartzopf. 13

Das istecht, und es ist zugleich liebenswürdig. Wenn freilich Alle so anspruchslos durch die brausende Weltstadt wandelten, stände es nicht gut um den Fortgang. Aber bei dem alten Herrn, der sein Lebenswerk so prächtig gethan, ist die Milde, zumal in Verbindung mit dem schalkhaften Schwänzchen am Schluß, durchaus angemessen, er gibt eben sich, und wie er, so waren viele. Daß derselbe Mann im Innersten tiefernst über die Schattenseiten der zwangsweisen Resignation denkt, beweisen daneben zur Genüge solche Verse, wie die ergreifend wahren auf Seite 30:

Man wird nicht besser mit den Jahren,

Wie sollt es auch, man wird bequem Und bringt, um sich die Reu zu sparen,

Die Fehler all in ein System.

Das gibt dann eine glatte Fläche,

Man gleitet unbehindert fort,

Undallgemeine Menschenschwäche

Wird unser Trost- und Losungswort.

Die Fragen alle sind erledigt,

Das eine geht, das andre nicht,

Nur manchmal eine stumme Predigt Hält uns der Kinder Angesicht. 1,1

Im Ganzen hat sich Fontane, der immer in erster Linie Epiker bleibt, auch in diesen Dingen wohl wirklich mehr zum Spiegel der Anderen gemacht, als seine Subjectivität forderte. Denn wir wissen ja Alle, wie unser Dichter als Kritiker sich ganz und voll vor dem Maramus so mancher gleichaltriger Collegen zu bewahren gewußt hat und noch unlängst in warmer Weise selbst für das Recht der allerhitzigsten literarischen Jugend eingetreten ist, wo er das mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Ein feiner Humor, ein ganz leises, aber fühlbares Selbstironisiren zieht durch die ganze Reihe der letzten, mehr oder minder pessimistischen Gedichte, er nimmt selbst den schärfsten Sachen den Stachel. Und mitten aus so mancher bitteren Vers- reihe klingt es immer und immer wieder wie in dem Spruch auf Seite 26:

395