Laß ab von diesem Zweifeln, Klauben,
Vor dem das Beste selbst zerfällt,
Und wahre dir den vollen Glauben,
An diese Welt trotz dieser Welt . 15
Die wenigen Proben, die ich im Voraufgehenden angeführt habe, werden zur Genüge gezeigt haben, welcher Meister der Form Fontane ist. Dennoch ist gerade dieser Punkt noch im Besonderen hervorzuheben. Halbwegs gute Form haben heute Unzählige. Das Instrument, so scheint es fast, ist zum Automaten geworden; selbst unsere lyrischen Kinder bringen es zu Wege, daß ihre banalen Sächelchen, die sie oben hineinwerfen, unten in wohlanständigen Rhythmen zum Vorschein kommen. Je mehr der Edelstein des Gedankens erblindet, desto üppiger wird allenthalben die Goldfassung des metrischen Gewandes, das jeder mit halbwegs bildungsfähigem Ohr Ausgerüstete sich durch fleißige Lectüre der zahllosen Muster nur zu leicht aneignen kann. Schon regt sich der Widerwille gegen die ganze Reimerei und Versklingelei, man träumt von neuen, freien Rhythmen, um dem ewigen Rückfall in das Alte zu entgehen, man traut überhaupt keinem „Klang“ mehr, obwohl Jedermann fühlt, daß klanglose Gedankenpoesie erst recht ein Greuel wäre. Merkwürdiger Weise hebt die Fontane’sche Gedichtsammlung mit ein paar Liedern an, die allerdings stark in’s alte Fahrwasser hineinsteuern, bei denen man stutzig wird, die zum Weiterlesen nicht anspornen. Es ist ein Zufall und, im guten Sinne, eine Täuschung. Fontane ist gerade formal ein durchaus origineller Dichter, und zwar ist er es wesentlich deshalb, weil er keiner von denen ist, die Ueberfülle an klingelnden Rhythmen haben. Seine Dichtungsart hat im Innersten etwas Zähes, der Gedanke ringt nach Prägnanz, die realistische Art der Naturmalerei fordert eine Häufung von scharf zeichnenden Beiwörtern, die der Schilderung etwas, man möchte geradehin sagen: naturwissenschaftlich Exactes geben. Diese Eigenart schließt von selbst das Hervordrängen der mehr musikalischen Wortwirkungen in der Weise der Romantiker und Nachromantiker aus. Nun aber — und das ist der Grund, der von einem ganz einzig dastehenden Techniker in Fontane reden läßt — nun kommt zu diesem Inneren das Aeußere einer Feile, einer Nacharbeit, die trotz jener Kargheit dem endgültigen Bau dieser Gedichte eine so musterhafte Form gibt, daß auch das feine Ohr eines Eichendorff befriedigt sein müßte. Fontane vermeidet mit Bedacht prunkende Versformen. Nichts steht ihm besser an als der scheinbar trivialste Knittelvers, den er dann allerdings in einer Weise künstlerisch durchdringt und seinem Gehalte anpaßt, daß Wirkungen entstehen, die Alles, was je an Pathos von Stanze oder Sonett geleistet ist, hinter sich zurück lassen. Ein Dichter, der das kann, ist natürlich in allererster Linie zum Balladendichter geschaffen, seine Kunst ist wie gemacht für jenes schmale, immer bedrohlich eingeengte Gebiet, wo sich Lyrik und Epik mischen. Nichts entsetzlicher, als wenn die Ballade den lyrischen Hauch, den ihr die Form, der Vers geben, mißbraucht zu üppigem Schwulst, zu redseligen Gefühlsergüssen. Nur wenn der Vers ein ganz leise mitschaffender Hülfsfactor bleibt, kommt sein Recht zur Geltung. Niemals darf er sich selbstherrlich vordrängen, niemals aber auch darf er
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