Essay-Sammlung „Hinter der Weltstadt. Friedrichshagener Gedanken zur ästhetischen Kultur“ (Leipzig 1901) aufgenommen. Gegenüber dem fast ungegliederten ersten Druck ist dieser zweite weitaus besser lesbar, so daß er dem folgenden Neudruck zugrunde gelegt wurde. Neben wenigen sprachlich-stilistischen Änderungen enthält der zweite Drude nur zwei inhaltliche Abweichungen, auf die in den Anmerkungen hingewiesen wird.
Vom alten Fontane
Wo man ihm im modernen Berlin ein Denkmal setzen wird, — versteht sich, ein schlechtes?
Ich glaube, es müßten sich soviel Orte darum streiten, wie Städte um die Wiege Homers. Im Hohenzollernmuseum ... na ja! Im märkischen Provinzialmuseum, — dem Manne, der die Mark als Dichter noch einmal entdeckt hat und der sie schön fand ohne aufzufärben. Im Zeughaus, — einem der friedlichsten Männer des neunzehnten Jahrhunderts, meinetwegen als „Kriegsschilderer“. Auf der Potsdamer Brücke mindestens, weil er so herzlich über Berlin und seine lieben Berliner lachen konnte. Aber auch neben dem Weber-Poeten an der Stätte, wo die Freie Bühne spielte. Und noch an freiheitlicheren Orten, wo man die Freiheit nicht bloß auf dem Theater spielt.
Und doch: der rechte Fleck wäre garnicht Berlin selbst. Draußen in die Heide gehört er. An einen recht banalen, öden Platz, — das heißt öde und banal für den, der nie mit den Augen des Mannes selbst sehen gelernt hat. 'fl
Ein Schilffließ zwischen Kartoffeläckern, rechts und links der struppige Kiefernwald als Schlußkulisse. Alles in Grau und Braun; jagende graue Herbstwolken; die Bäume rotbraun; die Kartoffelstücke lehmbraun; das Schilf gelbbraun vertrocknend; nur das Wasser zwischen den zitternden Halmen schwärzlich, dick wie alte Tinte. Eine dreckige schwarze Brücke darüber. Und daneben auf einem Hügel voll Unrat, Topfscherben und Gerollen, die aus den Feldern hier abgelagert sind, eine windschiefe Eiche mit ein paar kahlen Astspitzen über spärlichem Laub. Heuwagen sind vorbeigefahren und haben an den Zweigen graue Büschel hängen lassen, die im Herbstwinde wie Totenhaar schaukeln. Und über die Brücke kollert ein Wagen, mit alltäglich langweiligen Gesichtern. Er poltert scheußlich, dann versinkt er auf einmal lautlos in einer Wolke von Staub. Fern, wo sich die Waldkulissen perspektivisch zusammenneigen, ein einsamer Kirchturm.
Das wäre Fontanescher Boden.
Aus diesem dämmernden Turm hätte er dir die Vorzeit aufstehen lassen, sich hereinschmiegen lassen mit all ihren Stimmungen in dieses Schilffließ und diese Kartoffeläcker, bis die rollenden Wolken da oben die Nebel und Stürme der Geschichte wurden, die über Menschengenerationen rauschten wie hier über das trocknende Schilf.
Aus diesen alltäglichsten Menschengesichtem hätte er dir eine seiner wunderbaren schlichten Erzählungen herausgezaubert, von der Tragik der