kurierte. Auf den ersten Blick erschien etwas sehr viel Kleineres. Der immerhin schon alternde Herr dort im Theaterparkett mit den schlichten Zügen und dem schönen, feinen Auge war einfach ein Theaterrezensent, ein Zeitungsberichterstatter.
In diesem Sinne hörte ich auch mehr von ihm. Nicht die leiseste Spur eines Haudegens. Apotheker hatte er von Haus aus werden sollen. Dann hatte der Dichter sich geregt und es waren jene allbekannten Balladen entstanden. Lange war das wirklich schon her. Und dann hatte gleichsam als die Diagonale aus einem „bürgerlichen Beruf“ und dem „freien Poeten- tum“ im Lebenszwang jene gewohnte Bahn sich gezeigt: Redaktionsarbeit, Zeitungszwangsschreiberei. Nicht in bunter Uniform, sondern im Zeitungsdienst, als Reporter war er auch in die großen Kriege mitgezogen. Im Brotdienst hatte er jenen dicken Bände darüber geschrieben, unmittelbar nach den Ereginissen, als also von besonnener, historischer Kritik noch gar keine Rede sein konnte. Und jetzt war er Theaterkritiker der Vossischen Zeitung...
Man muß selber im Zeitungs- und Rezensions-Leben des Berliner Alltags Jahre lang stehen, um zu fühlen, was das eigentlich für eine Misere durchleben heißt, eine solche Bahn. Gesinnungen, Wünsche, Illusionen, Kenntnisse: alles auf den Markt geworfen für den Moment, um im nächsten Moment vom Zeitungsblatt des nächsten Tages wieder beiseite gedrängt zu sein, eine fortgesetzte Schule, unreif zu reden, in den Wind und mit dem Winde zu reden und sich selber dabei bis an den Hals vor Ekel zu bekommen. Armer Fontane! Er war für mich jetzt nicht mehr der Typus eines mir unsympathischen Machtprinzips, sondern selbst einer der Gestoßenen im Lebenskämpfe, mit dem man nicht rechten konnte. Ein Poet, der seine Kraft in minderwertigen populären Augenblicksbüchern und Theaterkritiken vergeuden mußte, armes Los!
Inzwischen und mit der Zeit lernte ich denselben Mann aber nun abermals von neuer Seite kennen und ganz unabhängig von allem Früheren schätzen.
Ich war aus dem Rheinland nach Berlin gekommen und mußte mich mühsam erst in die Mark einleben. Rheinlandschaft und Marklandschaft, — himmelweiter Kontrast. Und doch ist die eigentliche natürliche Verschiedenheit nicht das, was dem Rheinländer den Übergang in die Kiefernhaide so schwer macht. Der wahre Kontrast liegt in etwas viel Feinerem, etwas Seelischem.
Die Rheinlande sind seit vielen Jahrhunderten mit Dichteraugen angeschaut worden. Über dem trockensten sonnenverbrannten Weinberg liegt ein Hauch von Poetenfreude, von menschlichem Versenken in das kleinste Blättlein Schönheit in dieser Landschaft.
Der Fremde meint es wohl: es ist aber nun innerlich eine große Sünde zu sagen, die Mark sei nicht auch in ihrer Weise ein schönes Land, natürlich mit ganz anderer Art der Schönheit. Aber was der Fremde, vor'allem der Rheinländer und Süddeutsche, vor dieser Landschaft erst wie eine graue Rauchwolke durchbrechen muß, das ist die Nüchternheit der Menschen