Heft 
(1984) 37
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Treutier in der Nähe von Dresden blieb. Für das Ehepaar Fontane war es ein Abschied für immer. Am 16. September wurde in Berlin, ohne An­wesenheit der Hausfrau und Mutter, Metes Verlobung mit Prof. Dr. Ing. Karl Emil Otto (Keo) Fritsch begangen. Am 19. September gab es nochmals eine kleine Feier, an der auch Theo mit seiner Frau teilnahmen. An die folgenden Tage erinnert er sich in seinen Aufzeichnungen:

Andertags traf ich mittags in der Nähe der Rousseau-Insel meinen alten Herrn, der ganz frisch aussah und erklärte, das ,Fest sei ihm gut bekom­men. Wir trennten uns schnell, denn ich war in großer Eile und konnte doch nicht ahnen, daß ich in jenem Augenblick meinem lieben Vater zum letz­ten Male die Hand schütteln würde.

Wir waren abends grade zu Bett gegangen, als uns Anna Fischer das Hausmädchen der Eltern die Schreckensnachricht überbrachte und auf der Droschkenfahrt zum Trauerhaus von dem schnellen sanften Tod unseres Vaters berichtete, wie er Sterblichen nur in ganz seltenen Fällen beschieden ist. Für die Hinterbliebenen freilich war es nun doppelt schwer. Aus­gezeichnet benahmen sich die beiden Menschen, die dem Toten zu Lebzeiten weitaus am nächsten gestanden waren: meine Schwester und meine am nächsten Tag eintreffende Mutter. Ihre im Grunde herbe, aber leiden­schaftliche Natur hatte den Menschen Theodor Fontane mit all seinen Vorzügen und Schwächen in vollster Hingabe innig und treu geliebt. Da sie auch eine sehr kritische Ader besaß, war sie ihrem Mann besonders in seinen jungen Jahren wesentlicher Rückhalt für seine den Unbilden des Daseins nicht immer völlig gewachsene seelische Verfassung gewesen.

Von mir selbst hatte ich in jenen Tagen einen weniger günstigen Eindruck und glaube noch heute, daß ich meiner Rolle als ältester Sohn nicht ganz entsprach. Eigentlich darf das kaum Wunder nehmen. Dem auch mir wie meinem Vater mangelnden Sinn für Feierlichkeiten liegt es gar nicht, irgendwie hervorzutreten, besonders wenn andere sich dazu mehr berufen fühlen. Als solche mußte ich meine mit den Verhältnissen vertrauteren Geschwister Mete und Friedei gelten lassen, zumal meine Schwester nun auch noch einen Berater in ihrem mir an Jahren weit überlegenen Bräuti­gam besaß. Überdies merkte ich allenthalben, wie fremd ich durch mein frühes Verlassen des Elternhauses den Lebensumständen dort geworden war. Ich wußte nirgends recht Bescheid, nicht nur die Menschen hatten sich im Lauf der Jahre verändert, auch die Dinge.

Mein Einsatz in jenen Tagen bestand darin, daß ich zusammen mit meiner Freundin Marie Sternheim den Sarg auswählte und für meinen alten Seminargenossen, nunmehrigen Konsistorialassessor Devaranne' 1 , der die Grabrede halten sollte, über Wesen und Wirken des Verstorbenen aber zu wenig wußte, notwendige Unterlagen zusammenschrieb. Schließlich suchte ich mit meinem Bruder die letzte Ruhestätte unseres lieben Vaters aus. Anstatt der uns von der Friedhofsverwaltung zunächst angebotenen Stelle, die sich leicht zugänglich links vom Haupteingang nahe der Mauer befand, wählten wir in völliger Einmütigkeit eine andere mehr rechts gelegene, die durch eine sich sanft neigende Akazie beschattet war und in ihrer poetischen Wirkung ganz unserer Vorstellung für das Grab eines Dichters entsprach. Wir wären wohl zu einem anderen Entscheid gekommen, wenn

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