[Der französische Chassepot hatte eine Schußweite von ca. 2 000 m, während das deutsche Zündnadelgewehr eine Schußweite von kaum mehr als 500 m hatte. Vf.]
Diese französische Stellung war freilich nicht im Frontalangriff zu nehmen. Es wurde also beschlossen, das XII. Corps nach Roncourt marschieren und vom Norden aus Druck auf die feindliche Flanke ausüben zu lassen, ehe der Angriff des Garde-Corps beginnen sollte.
Der Befehl zum Angriff wurde jedoch beinahe eine Stunde zu früh gegeben.
Die Garde avancierte, zunächst die 4. Infanterie-Brigade, eine Viertelstunde später die 1. Brigade, dem mörderischen Feuer der französischen Verteidiger hilflos ausgeliefert. Fontane zitiert einen Augenzeugen, der — typisch für die Berichterstattung dieses Krieges — das ganze von oben herab, gleichsam vom entfernten Feldherrnhügel, als visuelles Spektakel darstellt:
Bis zu 500 Schritt von St Marie waren Einzelne gefallen, vielleicht auch Hunderte schon; erst über diese Stelle hinaus begann das große Sicheln. In ganzen Garben sanken sie dahin, die großen, schönen Gardeleute; unerbittlich mähte Schnitter Tod. Oben auf der Höhe von St Privat aber standen die französischen Offiziere (wenn man uns recht versichert hat) und folgten kopfschüttelnd in Thränen und Bewunderung, dem großartigen Schauspiele, das hier Mannesmuth und Vaterlandsliebe, Disciplin und Ehrgefühl vor ihren Augen aufführten. Ganze Sectionen stürzten; aber die zerrissenen Linien schlossen sich wieder und stumm, ohne einen Schuß zu thun, rückten die Bataillone weiter hügelan. Nur das Commandowort der Offiziere und das beschwörende .Vorwärts, vorwärts!' lief durch die Reihen. 2
Nach einer Stunde mußte das Gefecht abgebrochen werden, sonst wäre das Garde-Corps vernichtet worden. Die Artillerie wurde herangeführt, um einen Gegenangriff zu verhindern, und bis 6 r, / 4 Uhr hatten die Sachsen Roncourt erreicht:
Das war der Moment, den Sturm zu unternehmen oder, wie hier die Sache lag, den abgebrochenen Sturm aufs Neue zu beginnen. Der Befehl dazu wurde gegeben; Alles sprang auf und mit Hurrah ging es vorwärts, über die Feldsteinlinien hinweg, den glacisartigen Abhang hinauf. Die Franzosen, ihres alten Kriegsruhms eingedenk und würdig, hielten sich auch jetzt mit außerordentlicher Zähigkeit und unaufhörlich rollte das feindliche Feuer und hüllte den ganzen Umkreis wie mit einem Bleimantel ein. Aber aller Widerstand erlag schließlich dem Umfassenden des Angriffs, auch der Wuth unsrer Truppen. 3
Um 7% Uhr war St Privat gefallen und der Sieg gewonnen, aber die deutschen Verluste waren groß: in zweieinhalb Stunden verloren die Garden über 8 000 Tote und Verwundete (aus 20 000 in den ganzen drei Tagen vom 16. bis 18. August). Fontane, der preußische Kriegsberichterstatter, scheint aber keine Lust zu haben, nach den Ursachen zu suchen oder Kritik zu erteilen, stattdessen führt er ein Zitat heran, ,das nicht taktisch sondern nur poetisch das Unternommene zu rechtfertigen strebt [...]: