Heft 
(1984) 37
Seite
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Und dieser Hirschfeldt, ein genauso treuer Preuße wie sein Schöpfer, ist es, der am Vorabend des katastrophalen Überfalls auf Frankfurt an der Oder seine Gesinnung in Worten artikuliert, die wir mit ziemlicher Sicherheit für Fontanes eigene halten können:

Ich war lange draußen, und draußen lernt es sich. Jeder, der zurückkommt, wird durch nichts so sehr überrascht als durch den naiven Glauben, den er hier überall vorfindet, daß im Lande Preußen alles am besten sei. Das Große und das Kleine, das Ganze und das einzelne. Am besten, sag ich, und vor allem auch: am ehrlichsten. Und doch liegt unser schwacher und schwächster Punkt gerade nach dieser Seite hin. Welche Politik, die wir seit zwanzig Jahren gemacht! Lug und Trug, und wir mußten daran zu­grunde gehen. 25

Fontane kann nicht gut an der übertriebenen Selbstglorifizierung und Selbstgefälligkeit der 70er Jahre teilnehmen. Um sich auszudrücken, bedarf er eines anderen Stils als den von ihm erwarteten. Der Auftrag, für den Hofbuchdrucker eine repräsentative Kriegsgeschichte zu schreiben, verbietet aber die Entwicklung eines radikal neuen Stils der Schlachtenbeschreibung, was zu dieser Zeit auch Fontane nicht wünscht; vorläufig begnügt er sich damit, das großangelegte Epos gelegentlich zu unterminieren.

Die neue Einstellung merkt man schon im Briefaustausch mit seinem Ver­leger, wo Fontane jetzt Bedingungen stellt. Seine früheren Kriegsbücher sind illustriert; unter anderem enthalten sie Zeichnungen von uniformier­ten, hochdekorierten Offizieren, meistens mit Schnurrbart, die den Leser mit strenger Miene gerade dort fixieren, wo sie den Verlauf der Geschichte entschieden beeinflussen oder wo sie vom Kampfplatz ebenso entschieden verschwinden. Eine der ersten von Fontane gestellten Bedingungen war es, daß man diesmal auf solche Bilder verzichte:

wenn es sich um Wünsche handelt, so wünsch ich diese Illustrierung nicht, wenigstens nicht, was über Landschaft und Genre hinausginge. Ich finde dies beständige Auftauchen von drei, vier Kerlen, die mal einen Helm, mal einen Federhut tragen, selbst wenn dies alles aufs gewissenhafteste gemacht ist, doch ein bloßes Amüsement für Kinder. 25

Daß Fontane bereit war im Falle von Landschafts- und Genreszenen nun doch eine Ausnahme zu machen, während er die Führer der Nation, jene Männer, die Geschichte machen, weg wünscht, deutet auf ein Geschichts­verständnis, das anders als das damals vorherrschende war. Es ist anders als das von den Schlachtenmalern, Anton von Werner und Georg Bleibtreu, die eher einen Fresko- als einen Genrestil pflegten; es ist ganz anders als das des seltsamerweise als Naturalist bekannten Karl Bleibtreu (Sohn des Malers), der in seiner Besprechung von Zolas La Debäcle genau den ent­gegengesetzten Standpunkt vertritt: hier sieht Bleibtreu nur ,grelle Disso­nanzen, mit kleinlichen Pastoralepisoden vermengt, wo die dröhnenden Posaunen eines Weltgerichts einsetzen müßten 1 ; er tadelt das Fehlen der Offiziere: ,Die Offiziere spielen eine verschwindende Rolle, die Generale gar keine. Die höheren Kommandierenden tauchen nur als Statisten auf*. Für ihn bedeutet ,das Historische [... ] das Große, Allgemeine, Philoso­phische; das Genre bleibt ewig das Kleine, Persönliche, Endliche'; Zola

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