und Sprungfedern, und wenn es denn so wuppt...“ 18 Lene muß schnell das Gesprächsthema ändern. Unverdrossen kommentiert Frau Dörr die Frösche in der Nähe und bemerkt:
„Und woher kommt es? Weil hier alles Sumpf is und bloß so gut, als ob es Wiese wäre.“ 19
Dies verbildlicht, wie sie mit ihrer etwas groben Mentalität menschliche Sexualität betrachtet.
„Sieh doch den Tümpel an“, fährt sie fort, „wo der Storch steht und guckt gerade hierher. Na, nach mir sieht er nich.“ Sie ist davon nicht mehr betroffen. „Da könnt er lange sehn. Und is auch recht gut so.“ 20 Wie sehr die Äußerungen der Personen sie charakterisieren! Ihre letzte Behauptung scheint der Lebensbejahung der Frau Nimptsch, „Das es so gut sei“, ähnlich, widerlegt es jedoch gleichzeitig mit ihren sexuellen Anspielungen. Lene ist wieder verlegen. Sie sagt, sie müsse bald zurückkehren, aber Frau Dörr lacht nur,
„Nun erst recht nich, Lene; du wirst dich doch nich graulen und noch dazu vor so was. Adebar, du guter, bring mir ... “ 21 Das sei eines ihrer Lieblingsthemen, so unterrichtet uns der Erzähler; aber Frau Dörr ist hierin kein Außenseiter. Es ist auch ein Lieblingsthema der christlichen Kultur des Abendlandes. Seit Jahrhunderten betrachtet man die ganze Landschaft der Liebe, als ob sie wirklich ein Sumpf wäre, der, durchnäßt, schmutzig, den Liebhaber zu seinem Untergang hinuntersaugen kann. Ein solcher Sumpf kann wie eine schöne, feste, gesunde, blumenreiche Wiese aussehen, aber das ist alles nur Täuschung. Ebenso verweilte Frau Dörr an jenem glücklichen Abend bei Frau Nimptsch, als die Gesellschaft Knallbonbons zog, bei der Braut, die sich immerzu in den Finger stach, „lutschte und lutschte, wie wenn es wunder was wäre.“ 22 In einem aufschlußreichen Brief vom 6ten Dezember 1894 an Paula und Paul Schlenther schreibt Fontane:
„Wenn es einen Menschen gibt, der für Frauen schwärmt und sie beinah doppelt liebt, wenn er ihren Schwächen und Verirrungen, [man beachte den Ausdruck! D. B.] dem ganzen Zauber des Evatums, bis zum infernal Angeflogenen hin, begegnet, so bin ich es.“ 23 Es ist fast, als ob Frau Dörr für das Liebespaar Anstandsdame und Kupplerin zugleich wäre, ja vielleicht ihr „Es“ (um ein Freudsches Wort zu benützen). Botho drückt es so aus:
„Frau Dörr muß immer dabei sein. Ohne Frau Dörr geht es nicht.“ 24 Lene mit ihrem zarten Gefühl, ihrer „feinen Sinnlichkeit“ 25 , hat aber einen starken, sogar strengen Sinn für Pflicht, Recht und Ehrlichkeit, mit einem Wort, für Ordnung. Hierin gleicht sie ihrem zukünftigen Gatten, Gideon Franke, einem Mann von festen Grundsätzen, aber im Gegensatz zu ihm umgibt sie eine poetische Aura, die natürliche Stimmung, die in der Gärtnerei herrscht:
„Drinnen im Garten war alles Duft und Frische.“ 20 Auf geheimnisvolle Weise ist sie vielleicht eine Prinzessin von Geburt; von großer Statur ist sie zugleich „eine kleine Demokratin“; sie hatte ein
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