sonst auch? — mit ihrer Eitelkeit, mit ihren stolzen, begehrenden Augen, stolz auf ihr Haar, das sie in einem echten Dutt trägt, der dem von Käthe ähnelt, auf welchen sich der ehemalige blonde „Backfisch“, das „reizende Geschöpf“ 47 immer viel zugute tat. „Jott, Lene,“ sagt sie, „Un grade links. Aber natürlich ... da sitzt es ja ... links muß es ja sein.“ 48
Eine weiße Strähne zieht sich jetzt auf der Seite des Herzens, dessen Gefühle so sehr von Balafres Mätresse, Isabeau, verachtet werden, die auf dem grellen Morgenspaziergang der Desillusion zu Hankeis Ablage Lene so herablassend behandelt. Es ist lange her, so scheint es jetzt, daß Lene an jenem glücklichen Abend, den Bothe zusammen mit der kleinen Gesellschaft bei Frau Nimptsch verbrachte, Kaffee für die Damen und Apfelwein für den Herrn Baron hereintrug. Er bestand damals darauf, sie solle das Getränk nicht so feierlich präsentieren, als ob er im Klub wäre, sondern es ihm aus der Hand bringen, da würde es ja am besten schmecken: Herz und Hand gehören zusammen:
„Und nun gib mir deine Patsche, daß ich sie streicheln kann. Nein,
nein, die Linke, die kommt von Herzen,“ 49
jenem Herzen, dem Zentrum, aus dem Lene lebt, leidet und liebt, während Käthe vor ihrem sie bewundernden „cercle intime“ oder ihrem Mann von den Tugenden eines unschuldigen Herzens plappert. Diese und ähnliche physische Bekundungen von Gefühl bilden Leitmotive, rote Bedeutungsfäden sozusagen, bald ironisiert, bald tiefernst, bald mit einer fast magischen Kraft ausgestattet, die weitergeführt werden, sich verwirren, sich entwirren durch den gesamten Roman hindurch. Später, im Stechlin, sollte Fontane auf andere Weise durch das Bild des Sees den großen Zusammenhang der Dinge andeuten. Alle diese Elemente sind wie „apergus“, die laut Goethe Glieder einer großen produktiv aufsteigenden Kette sind. 50 Man nehme etwa das Lied, das zuerst als „Denkst du daran ... ich danke dir mein Leben“ auftaucht, dann wieder (mit Pathos geladen) in einer völlig anderen Umgebung und mit der durchdringenden Mahnung verbunden „doch du Soldat, Soldat denkst du daran?“ 51 zum Vorschein kommt. Oder man nehme die Gefühlsschnittwunden — „Glück und Glas“ 52 — die das zerbrochene Glas auf dem von Botho gesehenen Lastwagen dem Beobachter versetzen, oder die rührenden Variationen auf die Worte „Ah, die Lene“, 63 oder die Tiere (wie Bollmanns Hahn, Sultan den Hund, die Fliege und den Bothos Pferd aufschreckenden Hasen), die obwohl wirklich tierisch, gleichwohl voller menschlicher Bedeutung sind. Das immer wieder vorkommende Sich-Verändern des Lichts spielt eine ähnliche, symbolische Rolle. Alles wird mit hoher Kunst moduliert, variiert, konzentriert und verschmolzen. Alles wirkt zusammen, um „jene Gefühlsintensität, die die verklärende Aufgabe der Kunst ist“, 54 zu schaffen. Fontane legt in einer Daudet-Kritik vom 21ten Juli 1889 bezeichnenderweise die Hauptbetonung auf Übergänge, in denen die eigentliche Kunst des Stils besteht.“ 55 Die Handlung an und für sich ist nicht so wichtig, denn bei Irrungen, Wirrungen zeigt er auf eine entwaffnende Weise, daß, was scheinbar Nebensachen sind, Hauptsachen (oder umgekehrt) sein können. Fontane, der sich „kolossal empirisch und ganz unphilosophisch“ 55 nennt, schenkt bei seiner litera-
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