rischen Aufgabe, die Wirklichkeit zu verklären, seine Aufmerksamkeit vor allem immer wieder der ergreifenden Sprache, die die Dinge und die Menschen sprechen: „aus allem saug’ ich meinen Honig .“ 57 „Soll ich ein Feuer machen, Mutter?“ fragte Lene, während Bothos piekfeine neue Wohnung einen äußerst eleganten Kaminschirm hat. Dieser ist mit einer Nachbildung einer pompejanischen Wandflgur geziert, die Minerva darstellt. Botho hat den Schirm schon hundertmal gesehen, ohne zu merken, was es war. Nachdem er erfolglos Lene aus seinem Gedächtnis zu verbannen versucht, indem er ihre Briefe und das verhängnisvolle Blumensträußchen verbrennt, erfaßt er erst jetzt, was der Schirm eigentlich bedeutet: Er bemerkt:
„Minerva mit Schild und Speer. Aber Speer bei Fuß.
Vielleicht bedeutet es Ruhe ... Wär es so .“ 58 Man erinnert sich an Lenes Worte, „Auge und Liebe gehören immer zusammen ,“ 59 und auch an die Tatsache, daß Minerva, die italienische Göttin des Handwerks, auch als römische Göttin der Weisheit mit der kriegerischen griechischen Göttin, Pallas Athene identifiziert, und mit deren Attributen dargestellt wurde. Das Kaminschirmbild, das gerade hier symbolische Bedeutung gewinnt, ist ein weiteres Beispiel für Fontanes subtile Kunst. Bilder, wie Hogarths Gemälde- oder Stichreihen (z. B. „Mariage ä la Mode“, „The Rake’s Progress“ oder „Industry and Idleness“) müssen „gelesen“ oder, um einen älteren englischen Ausdruck zu benützen, „spiritualized“ (d. h. religiös ausgelegt) werden. Da am Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Bibel wie die klassische Literatur nicht mehr allgemein bekannt und respektiert sind, da sie auch für Gebildete nicht mehr solche Schatzkammern kraftvoller Bilder von tiefem geistigem, ja religiösem Sinn bedeuten, können Fontanes Romane unmöglich eine selbstverständliche allegorische Wirkung erzielen, sondern sie müssen bei all ihrem Realismus individuell verschieden, andeutend, ja ambivalent wirken. Das gilt noch stärker für Kafka. Lene, die „Plätterin“, die anspruchslose,in die preußische kapitalistische Wirtschaft eingespannte Handarbeiterin (die unterwegs zu den Gebrüdern Goldstein, um ein Muster für die Wäsche der Waldeckschen Prinzessin zu besprechen, eine gewisse „Frau Demuth“ in der Alten Jacobstraße besucht), wird paradoxerweise durch Bothos und Käthes Kaminschirm (ein Möbelstück, das die Wärme nur abhalten würde, die Lenes kranke Pflegemutter beständig verlangt) charakterisiert und noch einmal symbolisch idealisiert . 50 Ebenso wissen wir, daß Lene groß ist — Fontane betont es ja — obgleich sie von „Königin“ Isabeau als „Kleine “ 61 angesprochen wird. Fontane kannte gut die paradoxe Beschaffenheit der Schönheit, „la beaute du laid“; er war sich schon seit langem dessen bewußt, daß der Leser seine Heldin physisch und geistig sympathisch finden werde, wenn diese Beziehung direkt und indirekt gut aufgebaut wurde.
Erst im zweiten Teil des Ausflugs nach Hankeis Ablage (dem zweiten Teil des dreizehnten Kapitels in einem Roman von sechsundzwanzig Kapiteln) zeigt uns Fontane Gier als ein aus Unverschämtheit, Falschheit, Härte und Begehren bestehendes Greuel. Während die Liebe zwischen Botho
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