Holländern und das Buchstabenmachen ... auf etliche Minuten auf und sah in den Mond . 17
Obwohl dies eine verallgemeinerte Beschreibung eines häufig auftretenden Phänomens ist, leitet sie in Wirklichkeit den Bericht ein, wie Fontane als Führer einer Gruppe kleiner Jungen von seiten größerer Jungen eine Niederlage erfuhr. Eine scheinbar malerische Darstellung der Natur ist mit schicksalsschweren und gefühlsmäßigen Assoziationen erfüllt: Assoziationen, die vielleicht erst nachträglich deutlich werden, deren Intensität aber durch die Schärfe und Wirkung der Beschreibung vermittelt wird. Schmach und Kummer sind sehr groß, und es ist typisch für Fontanes Dichtung, daß einer solchen Szene der Krise und des Unglücks das Motiv des Mondes vorausgeht. Fontane macht deutlich, daß dies für ihn kein bedeutungsloser Vorfall bei seinen jugendhaften Spielen war, sondern ein traumatisches Ereignis, eine schmerzhafte Erfahrung:
... in dem Riedgras neben dem Erlenbusch, wo ich zu Fall gekommen war, lag der Rest vom Stolz meiner Jugend begraben. ... hier hatte mich zum ersten Mal eine Niederlage getroffen und so getroffen, daß an eine Wiederaufnahme des Kampfes gar nicht zu denken war . 18
Es ist für Fontanes Weitsicht charakteristisch, daß die Intensität einer seelischen Erfahrung, einer psychologischen Krise in großem Maße durch die vorbereitende Beschreibung der umgebenden Natur beschworen wird. Fontanes Reaktion auf den Novembermond in seiner Kindheit, der ihn fesselte und ihn gleichzeitig ehrfürchtige Scheu einflößte, deutet an, daß er in seinen Augen eine rätselhafte Macht und Bedeutung zu besitzen schien. Der Mond war mehr als ein Naturphänomen, er war ein Vorzeichen, ein böses Omen, und diese Reaktion wird durch die folgenden Ereignisse gerechtfertigt.
In Effi Briest finden sich bemerkenswerte Anklänge an diese Szene in Fontanes Autobiographie. Im Laufe der merkwürdig mit Anspielungen durchsetzten Unterhaltung zwischen Innstetten und Effi auf dem Weg zu ihrem neuen Heim weist Innstetten seine junge Frau auf den Mond hin. Effi’s Reaktion ist nicht die, die man von einer jungen Braut an der Seite ihres Mannes im Mondschein erwarten könnte:
Effi, die still in sich versunken, jedes Wort halb ängstlich, halb begierig eingesogen hatte, richtete sich jetzt auf und sah nach rechts hinüber, wo der Mond, unter weißem, aber rasch hinschwindendem Gewölk, eben aufgegangen war. Kupferfarben stand die große Scheibe hinter einem Erlengehölz und warf ihr Licht auf eine breite Wasserfläche, die die Kessine hier bildete ... Effi war wie benommen. ,Ja, du hast recht, Geert, wie schön; aber es hat zugleich so was Unheimliches. ... Woran liegt es nur? Ist es doch das Nördliche ?' 19 Fontane hat hier nicht nur die äußerliche Beschreibung des kupferfarbenen Mondes und der Erlen aus seiner eigenen Erfahrung übertragen, sondern auch die menschliche Reaktion, das Gefühl des Unheimlichen und der Angst. In Effi Briest dauert es wesentlich länger als in Meine Kinderjahre, bis das Unglück hereinbricht, aber der Hinweis ist da. Es ist Bestandteil
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