der Zweideutigkeit in Fontanes Stil, daß der Mond hier als Schicksals- symbol aufgefaßt werden kann, aber auch als Waffe im dem psychologischen Manövrieren (bewußt oder unbewußt) Innstettens. Der Mond ist nicht unheimlich an sich — wie Effi in ihren Bemerkungen über italienisches Mondlicht zeigt. Der Zusammenhang macht ihn unheimlich — nicht gerade die geographische Lage, wie Effi mit ihrer Frage „Ist es doch das Nördliche?“ andeutet, sondern der menschliche Rahmen. Innstetten ist es, der teilweise für Elfis Furcht und Ungewißheit verantwortlich ist. Unmittelbar vor seinem Hinweis auf den Mond hat er ihr gesagt, daß sie mit Rollo, dem Hund, nichts zu fürchten hat:
,Und solange du den um dich hast, so lange bist du sicher und kann nichts an dich heran, kein Lebendiger und kein Toter . 1 Dies ist eine höchst seltsame und dunkle Bemerkung, die andeutet, daß Effi tatsächlich Angriffen von Lebendigen und Toten ausgesetzt sein könnte. Innstetten, während er sie scheinbar beruhigt, sät in Wirklichkeit durch seine rätselhaften Andeutungen die Saat der Furcht in Effis für Eindrücke empfänglichen Bewußtsein. Ob er zu diesem Zeitpunkt absichtlich versucht, sie einzuschüchtern, ob es ein unbewußter Akt geistiger Unterwerfung oder einfach männliche Unempfindlichkeit ist, bleibt unklar. Der Mond wird hier sowohl mit Vorstellungen von bedrohlichen Kräften, von einem bösen Schicksal assoziiert, als auch mit ehelichen Zwistigkeiten in ihren ersten Anfängen. Dies ist ein frühes Anzeichen von Unzulänglichkeiten im Verhältnis zwischen Ehemann und -frau. Es erinnert ironisch an Effis freudige Erwartung in Bezug auf ihr neues Heim. In einer scheinbar belanglosen Unterhaltung mit ihrer Mutter vor der Hochzeit spricht sie von dem, was sie ihrer Vorstellung nach im fernen Norden erwartet:
,... ich freue mich darauf, auf die Nordlichter und auf den helleren Glanz der Sterne . . . 120
Sie stellt sich etwas Helles, Erregendes und Schönes vor und drückt es vermittels Himmelskörpern und -Phänomenen aus. Aber als sie das nächste Mal vom .Nördlichen 1 spricht, hat ihre erste Begegnung mit ihm nicht das optimistische Versprechen ihrer Vorstellungen erfüllt, es hat ein anderes Aussehen angenommen, und zwar ein düsteres. Ihre Erregung enthält eine Spur von Furcht durch den zusätzlichen Aspekt, den ihr Mann einbringt. Mittels Himmelsmotiven wird gezeigt, daß ihre Hoffnungen für ihr neues Leben als Ehefrau vergebens sind.
Später im Roman werden die mit dem Mond verbundenen Assoziationen wieder aufgenommen und verstärkt. Als Roswitha ihre erste Nacht im Haus in Kessin verbracht hat, versucht Effi festzustellen, ob sie das Gespenst auf dem Boden gehört hat:
Am anderen Morgen erkundigte sich Effi — die seit einiger Zeit (denn es war gerade Vollmond) wieder in Ängsten lebte — wie Roswitha geschlafen und ob sie nichts gehört habe ? 21 Wieder wird der Mond mit Furcht verbunden, hier durch den hergebrachten Glauben, daß die Geister der Toten bei Vollmond umgehen. Der Geist, um den es Effi geht, ist der des Chinesen, und dieser Geist ist, wie an anderer Stelle gezeigt worden ist , 22 ein Symbol für Probleme im Verhältnis
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