Heft 
(1984) 37
Seite
468
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St. Arnaud wiegte den Kopf und lächelte, während Cecile, die des Heimrittes von Altenbrak gedenken mochte, nicht ohne Verlegenheit vor sich hinblickte . 45

So wird in Cecile das Mondmotiv verwendet, um die Vorstellung von Verführung, von einer schuldhaften Liebschaft, von unglücklicher und unerfüllter Liebe heraufzubeschwören aber nicht auf die konventionelle Weise, wie sie Lenaus Gedicht ausdrückt. Verwickelte gesellschaftliche und psychologische Faktoren stellen sich den Wünschen des potentiellen Paares entgegen. Das Mondmotiv weist in der Handlung voraus, und bezeichnen­derweise kündigt es Unglück an, wenn auch kein Unglück, das völlig überraschend kommt, sondern eines, das natürlich und unvermeidlich aus den Charakteren selbst entsteht. Das Motiv wird geschickt so ver­wendet, daß es die Thale-, Bremen- und Berlinabschnitte des Romans verbindet und ein wichtiges Element im Nachzeichnen der Entwicklung des dem Untergang geweihten Verhältnisses bildet. Wieder setzt Fontane ein Naturmotiv wirksam ein, um Kräfte zu offenbaren, die in erster Linie psychologisch und gesellschaftlich sind.

Die Kräfte, auf die das Sternmotiv hindeutet, sind nicht so sehr oder zumindest nicht nur psychologischer und gesellschaftlicher, sondern auch metaphysischer und seelischer Art. Immer wieder tauchen Sterne in Ver­bindung mit den Begriffen ,Seele oder ,seelisch auf. Wie beim Mondmotiv muß man nicht einfach die scheinbar realistische Beschreibung der Sterne an sich betrachten, sondern den menschlichen Rahmen innerhalb dessen sie vorkommt. Einige kurze biographische Bemerkungen seien hier zu Beginn der Erörterung gestattet. Einer von nur zwei Vorfällen aus seiner Neuruppiner Zeit, an die Fontane sich deutlich erinnert und die zu berich­ten er für angemessen hält, scheint die ursprüngliche Erfahrung oder wenigstens ein höchst wichtiges frühes Beispiel für das zu sein, was Sterne ihm bedeuteten. Sein Vater schlägt vor, den siebenjährigen Theodor auf eine Nachtfahrt in einem offenen Wagen mitzunehmen:

Ich horchte hoch auf, beglückt in meiner kleinen Seele, die schon damals nach allem, was einen etwas aparten und das nächtlich Schauerliche streifenden Charakter hatte, begierig verlangte. 41

Das folgende Erlebnis enttäuscht die aufgeregte Vorfreude keineswegs:

In raschem Trabe ging es über Altruppin auf Kremmen zu, und lange bevor wir dieses, das ungefähr halber Weg war, erreicht hat­ten, zogen die Sterne herauf und wurden immer heller und blitzen­der. Entzückt sah ich die Pracht, und kein Schlaf kam in meine Augen. Ich bin nie wieder so gefahren; mir war, als reisten wir in den Himmel.

Die Sterne haben eine tiefe und intensive Wirkung auf das schon erregte und erwartungsvolle Kind. Sie scheinen ihm ein Zeichen einer transzen­dentale Sphäre jenseits der irdischen Realität zu sein, ein Zeichen für die Existenz einer märchenhaften Dimension der Realität. Der letzte Satz deutet an, daß es ihm erschien, als ob die Sterne den Menschen Zugang zu jener höheren Realität, zu jener zusätzlichen Dimension seelischen Erlebens verhießen. Hier spricht nicht Fontane der ironische Realist,