Heft 
(1984) 37
Seite
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Schloß Wuthenow einen flüchtigen Blick erhascht hat. Er braucht das ober­flächliche Gefühl der Sicherheit seines künstlichen, konventionsgebundenen Milieus, um sich wohl zu fühlen. Die profane Wirklichkeit, das helle Tages­licht ist der einzige Bereich, wo Schach seinen Frieden mit der Welt machen kann. Die Verheißung der Sterne für ihn ist weder eine Antwort noch eine Herausforderung, die er annehmen kann. Wie es vom Mond heißt, er sei .nicht jedermanns Sache 1 2 3 4 5 6 7 , so gilt offenbar dasselbe für die Sterne. , VtlM,

Obwohl Ohl zu weit geht, wenn er sagt, Fontanes Beschreibungen seien nicht als realistische Darstellungen der Natur gedacht, ist es zweifellos richtig, daß die überwiegende Mehrheit von ihnen mehr als eine Bedeutung haben. Wenn Fontane weit entfernte Himmelskörper wie Mond und Sterne beschreibt, geschieht das nicht um ihrer selbst willen. Manchmal verwen­det er sie, um die Vorstellung von Schicksal, von höheren Mächten zu erwecken, die die Zukunft der Menschen bestimmen. Weit häufiger treten sie in enger Verbindung mit dem Gemütszustand der Charaktere auf. Sie werfen Licht auf eine subjektive Reaktion und unterstreichen sie. Sie stehen für menschliche Gefühle, sie spiegeln Entwicklungen in der inneren Handlung wider und zeigen Krisen auf oder nehmen die Zukunft voraus. Ihre Funktion läßt sich nicht einfach umschreiben. Jedes Motiv umfaßt eine Reihe von verwandten, wiederkehrenden Assoziationen, die wir oben untersucht haben, und die Tatsache, daß Fontane diese Motive so häufig verwendet, unterstützt durch die Belege aus Meine Kinderjahre, läßt keinen Zweifel daran, daß er sich für sie entschieden hat, weil er sie als dichterisch ausdrucksvolle Elemente betraditet, und ihre Gebräuchlichkeit in Dichtung im allgemeinen mindert ihre Frische und Lebendigkeit, da wo er sie ein­setzt, keineswegs. Es war nicht möglich, auf dem verfügbaren begrenzten Raum alle Beispiele für das Auftreten dieser Motive zu erfassen, und obwohl versucht wurde, ihre Abstufungen und Variationen möglichst genau zu betrachten, muß die Untersuchung unvollständig bleiben. Wie bei jedem Versuch, Fontanes Werke zu analysieren und seine Methoden und Absichten festzulegen, blieben unbewältigte Aspekte übrig, die den Leser zu weiterer Diskussion anregen.

Anmerkungen

Die benutzte Ausgabe von Fontanes Werken ist, solem nicht anders angegeben, Sämtliche Werke, hrsg. Edgar Groß, Kurt Schreinert, Rainer BaChmann, Charlotte Jolles, Jutta Neuendorft-Fürstenau, München: Nymphenburger Verlagshandlung 1959 ft, in den Anmerkungen ,N abgekürzt.

1 Vgl. auch Peter Demetz, .Symbolische Motive: Flug und Flocke 1 in Formen des Realismus: Theodor Fontane, München. 1964.

2 H. Ohl, Bild und Wirklichkeit, Heidelberg, 1968, S. 201.

3 Ebenda, S. 209.

4 Keitel spricht in seinen Anmerkungen zur Hanser-Ausgabe (siehe Ullstein Buch Nr. 4510, S. 205 f.) von derLieblingszeit der .Herbstnatur* Fontanes, die ihn immer wieder zu den tiefsten Stimmungsbildern seiner Dichtung führt. Hier ist die eigentliche .Fontane-Stimmung* spürbar, aus der fast immer eine Wende des Geschehens kommt. . ., in Hinblick auf einen Abschnitt in N I, S. 209.

5 Brief an Paul Heyse, Berlin, 9. Dezember 1878, in Ullstein Buch Nr. 4508, S. 180.

6 N I, S. 43 f.

7 Ebenda, S. 60.

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