„Westen“. Dies aber, so beeilt sich K. hinzuzufügen, dürfe nicht auf eine der Literatur günstige Situation schließen lassen, denn eine strenge Zensur dränge dort auf eine .propagandistische Dichtung“ und diskriminiere .ehrenwertes und originelles Schaffen“ (ebenda), wie es K. in Uwe Johnsons Erstlingswerk erkennt. Hauptbeleg für diese These ist ihm freilich Christa Wolfs „Nachdenken über Christa T.“, das als ein kritisches und eindringliches Buch nur in einem kurzen Augenblick der Liberalisierung habe erscheinen dürfen, rasch vergriffen war und in „East Germany“ kaum zugänglich sei: erst die Veröffentlichung im Westen habe es eigentlich bekannt gemacht. Unsachliche Ausfälle solcher Art 8 sind geeignet, den zwiespältigen Eindruck von diesem zunächst vielfältige Anregungen und Ergebnisse versprechenden Buch noch zu verstärken.
Anmerkungen
1 Hierzu zählt bereits die unreflektierte Hinbeziehung des Schweizers Gottfried Keller: die Implikationen seiner Herkunft gelten als zu vernachlässigende Größe angesichts seiner Entscheidung für die „deutsche Tradition“ von Erziehungsroman und Novelle.
2 Vgl. Heferatedienst zur Literaturwissenschaft, Berlin, 4 (1972), H. 4, Seite 384.
3 Vgl. dazu neuerdings den Forschungsbericht von Stefan Kohl, ln dem die relative Nähe des deutschen und englischen Realismus in der Abgrenzung vom französischen hervorgehoben wird (Realismus. Theorie und Geschichte. München 1977, S. 79 ff).
4 Geht man von der großen Rolle aus, die in der Forschung die Untersuchung der Stellung Fontanes zu England und zur englischen Literatur spielt, so ist überraschend, daß K. von den Arbeiten zu diesem Thema nur die Studien von Shears aus den zwanziger Jahren heranzieht.
5 ln Beziehung gesetzt zu den Hinweisen auf die Arbeiten von Shears oder auch auf die kleine Studie von Doemenburg und Fehse Uber Dickens und Raabe (Magdeburg 1921) wirkt es wenigstens fragwürdig, daß sich K. an keiner Stelle auf die neueren großen Darstellungen zu den englisch-deutschen Literaturbeziehungen beruft oder mit ihnen auseinandersetzt. Vgl. etwa Price. Die Aufnahme englischer Literatur in Deutschland, 1953, dt. 1961; Motekat, Wechselbeziehungen zwischen deutscher und englischer Literatur im 18. und 19. Jh., München 1950; Wellek. Untersuchungen zur deutschen und englischen Romantik; dazu das og. Buch von Oppel.
6 Man vermißt ungern eine zusammenhängende Diskussion der literaturkritischen Aufzeichnungen Fontanes zum englischen Roman; diejenigen zum Roman des 18. Jahrhunderts sind gar nicht berücksichtigt.
7 Mangel an historischem Verständnis verrät es wohl auch, wenn K. erklärt, die Darstellung von Faschismus und Krieg in der Literatur der BRD habe nach der Herrschaft von .rigiden Stereotypen' erst im Werk von Günter Grass künstlerische Qualität erreicht (149).
8 Nach Auskunft des Mitteldeutschen Verlags Halle ist das Buch zwischen 1969 und 1974 in 3 Auflagen erschienen; nach dem Übergang der Rechte an den Aufbau Verlag erschien es dort zwischen 1975 und 1981 in 5 Auflagen. Die 6. Auflage ist für 1984 vorgesehen.
Hertling, Gunter H.: Theodor Fontanes „Stine“: Eine entzauberte „Zauberflöte“? Zum Humanitätsgedanken am Ausklang zweier Jahrhunderte. — Bern und Frankfurt am Main: Verlag Peter Lang, 1982 (95 S.)
(Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, Bd 451.) [Rez. D. Grohnert, Erfurt]
Ein Rezensent dieser rund neunzig Seiten umfassenden Schrift müßte eigentlich Musik- und Literaturhistoriker zugleich sein, um den ganzen
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