Heft 
(1984) 37
Seite
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Umfang anregender Überlegungen einschätzen zu können, die Hertling, Germanistik-Professor an der Universität Washington, Seattle, USA, zur Diskussion stellt. Da er das erstere nicht ist, sucht er den Kontakt zu dem Aufsatz vorrangig dort, wo sich Erkenntnisgehalt für das Fontane-Ver­ständnis bietet. Bezugspunkte sollen dabei einige wichtige Positionen des Autors und seineStine-Interpretation (S. 4289) sein, die durch den Humanitätsgedanken am Ausklang zweier Jahrhunderte als inhaltlich­strukturelle Klammer des Aufsatzes mit einer knappen Librettointerpre­tation derZauberflöte von Mozart/Schikaneder (S. 2131) verbunden ist.

Bevor wir uns diesen Interpretationen nähern, macht uns Hertling freilich deutlich, daß er sich von - seinem Begriff nachmarxistischen Auf­fassungen zum Gegenstand abgrenzt (S. 16 ff., 41), wobei sich der vulgär­soziologische Charakter dieser Auffassungen schnell herausstellt. Die Identifikation solcher Positionen mit marxistischen in der bürgerlichen wissenschaftlichen Polemik ist indessen nicht neu und bedarf an dieser Stelle keiner erneuten Widerlegung.

Hertling nennt in einem ersten Kapitel (S. 58) das Ziel, seine Unter­suchungen denparadoxen Verhältnissen zwischen Spiel und Realität, zwischen kunstvoller Poesie einerseits und deterministischer Lebenstragik andrerseits (S. 7) inStine zu widmen, ehe er in einem zweiten kurz auf die Bedeutungflgurative(r) Namengebung für den Roman eingeht (S. 810) und damit einen vorläufigen thematischen Bezug zur gesamten Abhandlung herstellt. Das Kapitel III erarbeitet sich, nach Erklärungen zur Freimaurer-Problematik bei Mozart und Informationen zum Mozart- Sekundärschrifttum, eine Interpretation desZauberflöten-Librettos, die sich an die Struktur der äußeren Geschehnisse des Musikdramas hält, und geht dabei in ähnlicher Weise vor wie das umfangreichste 4. Ka­pitel, in dem Hertling FontanesStine in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Ein abschließendes 5. Kapitel sucht noch einmal den Widerspruch zwischen einst gewollter Harmonie (Mozart) und dann nicht mehr reali­sierbarer Humanität (Fontane) auf und gibt dem Autor-Gedanken an zukünftige Humanität und gesellschaftliche Harmonie Ausdruck. Der wis­senschaftliche Apparat vermittelt sparsame zusätzliche Informationen und sieht sich zugleich als Literaturverzeichnis, auf das sich einNamen- und Werkverzeichnis am Schluß der Abhandlung bezieht.

Was die Hertling-Untersuchung unserem Interesse öffnet, ist das unein­geschränkte Bekenntnis ihres Autors zum Humanismus und zur huma­nistischen Tradition in der Kunst. Abgesehen davon, daß hierbei in durchaus differenzierender Betrachtung auch Namen wie Nietzsche und Thomas Mann (Der Zauberberg) in einer Zwischenpassage zitiert werden, geht es Hertling darum,verblüffend enge Parallelen sowie einige grund­sätzliche Differenzen (S. 42) zwischenStine und derZauberflöte zu verdeutlichen. Daß Hertling als Parallelen vor allem vergleichbare Figuren­konstellationen (drei weibliche, drei männliche Handlungsträger) und die Konfrontation von Harmonie und Konservatismus in den Vordergrund stellt und damit Anregung für eine noch genauere Analyse dieser Bezie­hungen gibt, verdient Aufmerksamkeit. Hier arbeitet Hertling mit subtiler

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