lehrzeit, die schriftstellerischen Anfänge und die Englanderfahrungen Theodor Fontanes, also die Jahre 1819—1859. Fontanes geistig-politischem Engagement in der Vormärzzeit und im Jahre 1848, wie es sich besonders in den Briefen an Lepel, der politischen Lyrik und den Zeitungsaufsätzen spiegelt, wird eine recht ausführliche Darstellung zuteil. Ohne langwierige historische Exkurse gelingt es dem Verfasser, die zum tieferen Verständnis nötigen Bezüge herzustellen.
Kurze Kapitel sind jeweils auch Fontanes Beziehungen zum Haus Wangenheim und seinem Verhältnis zu Storm gewidmet, die wichtige Akzente setzen, sowohl im Hinblick auf den „Einfluß“ dieser Zeitgenossen auf Fontanes Werdegang und Selbstverständnis als auch in bezug auf seine Kunst der differenzierten Menschenschilderung. Der Name „Tunnel über der Spree“ taucht jedoch in keiner Kapitelüberschrift auf, und die Bedeutung dieses literarischen Vereins für Fontanes persönliche und schriftstellerische Entwicklung wird auch im Text recht knapp abgehandelt.
Der zweite Teil, „Kritische Jahre — Kritikerjahre“, umgreift die Zeit von 1859 bis 1878/79. Die einzelnen Kapitel fügen sich zu dem sachlichen, aber einfühlsamen Bild eines Mannes, dem nichts „absolut feststeht“ und der sich trotz der immer noch und immer wieder materiell unsicheren Position nicht „annageln“ lassen will. Annageln lassen auch nicht im geistigen Sinne; davon legt die Vielfalt seines journalistischen und literarischen Schaffens jener Zeit Zeugnis ab: Alltagsjoumalismus und Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Kriegsreportagen und Theaterkritiken, schließlich der erste Roman. Verchau behandelt die verschiedenen Schwerpunkte im Schaffen Fontanes zu jener Zeit in knappen, konzentrierten Kapiteln und ergänzt sie durch Fontanes Stellungnahmen zum Werk Alexis’ und zu Italien sowie durch ein Kapitel („Leicht zu leben, ohne Leichtsinn“) über Fontanes Lebenseinstellung und Grunderfahrungen, wie sie sich in Briefen und Familienleben einerseits, im literarischen Werk andererseits ausdrücken.
Den Wanderungen und Kriegsreportagen ist ein im Rahmen dieses Buches relativ breiter Raum gewährt. Wichtig für den Literaturwissenschaftler ist, daß die Darstellungen und Berichte Fontanes hier mit den Augen des Historikers gesehen und bewertet werden, denn dies ist, besonders im Hinblick auf die Kriegsbücher, die auch Verchau nur kurz ansprechen kann, ein weitgehend brachliegendes Feld innerhalb der Fontane-Forschung. Obwohl er zu dem Ergebnis kommen muß, daß „der Literat dem historio- graphischen Wollen zu sehr im Wege“ stand (S. 95), bescheinigt er Fontane doch „politischen Realitätssinn“ (S. 97) und Weitsicht. Bei der Betrachtung der „Wanderungen“ konzentriert sich Verchau auf Fontanes Behandlung der Familie von der Marwitz, des Prinzen Heinrich und des Ruppiner Regiments, würdigt aber nicht nur die sachlich-historischen Aspekte, sondern auch die literarisch-erzählerische Leistung der Fontaneschen Darstellungskunst.
Die Einteilung des dritten Teils „Die große Schaffensperiode“ orientiert sich im wesentlichen an den Romanen, die zwischen 1879 und 1892 ent-
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